Spanien:Katholisch bis in alle Ewigkeit

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Von wegen Religionsfreiheit: In Spanien ist es kaum noch möglich, rechtsgültig aus der Kirche auszutreten.

Javier Cáceres, Madrid

Wenn sich Spaniens katholische Kirche in gesellschaftspolitische Belange einmischt, beruft sie sich gerne darauf, dass sie die Mehrheit der Spanier vertritt. Immerhin sind 77 Prozent Katholiken. Zupass kommt der Kirche auch, dass man sich von ihr nicht einfach lossagen kann. Die Kirche kennt in ihrem Recht keinen Austritt, und Spaniens Staat kennt keinen Verwaltungsakt, der dem Kirchenaustritt in Deutschland entsprechen würde.

Prozession in Sevilla während der Karwoche 2008: Die katholische Kirche in Spanien mischt sich gern in gesellschaftliche Belange ein. (Foto: Foto: AFP)

Zuletzt hatten einige spanische Katholiken allerdings einen Weg gefunden, zumindest ihren Abstand von der Kirche zu bekunden. Man ging zu den Pfarreien und bat unter Verweis auf die Datenschutzgesetzgebung um die Tilgung der persönlichen Angaben, Glaube und Religion seien eine persönliche Angelegenheit.

Viele Erzbistümer nahmen zwar nur widerwillig, aber immerhin eine "Aktualisierung" der Daten vor. Am Rande wurde vermerkt, dass der Betroffene nicht mehr in den Kirchenbüchern geführt werden möchte. Dieser Weg ist nun versperrt. Spaniens katholische Kirche wurde höchstrichterlich von der Pflicht entbunden, die Kirchenbücher anzupassen.

Dass es zu diesem Spruch kam, lag daran, dass sich das als besonders konservativ geltende Erzbistum von Valencia weigerte, Tilgungen jedweder Form vorzunehmen. Das Erzbistum hatte sich auch nicht von Weisungen der spanischen Datenschutzbehörde AEPD beeindrucken lassen - und strengte in 171 Fällen Rechtsverfahren an. Sie unterlag bisher in allen diesen Fällen.

Die ausführliche Begründung des Urteils des Obersten Gerichtshofs steht zwar noch aus. Bekannt ist aber, dass die Justiz die Kirchenbücher nicht als datenschutzrelevante, strukturierte Verzeichnisse ansieht. Sie seien demnach kaum mehr als eine lose Sammlung von Zeugnissen historischer Vorgänge, die Daten der Katholiken seien nicht einmal alphabetisch geordnet. Damit würden sie, anders als von der AEPD behauptet, nicht den Datenschutzbestimmungen unterliegen. Das von einem austrittswilligen Katholiken namens Miguel B. G. reklamierte Recht, aus dem Kirchenbuch getilgt zu werden, sei also nicht gegeben.

AEPD-Direktor Artemi Rallo erklärte am Mittwoch, sein Amt habe seit 2006 rund 650 Fälle von datenschutzbesorgten Katholiken betreut. Viele dürften sich auf Ratschlag der nahe Madrid gelegenen und von den Postkommunisten regierte Gemeinde Rivas-Vaciamadrid an die Datenschützer gewandt haben.

In einem Bürgerrecht-Büro bieten sie Personen, die der katholischen Kirche den Rücken zuwenden wollen, gratis Rechtshilfe, unter anderem über den Anwalt Luis Miguel Sanguino. Dieser betonte, es sei bedauerlich, dass der Oberste Gerichtshof dem Konkordat des spanischen Staates offenbar größeres Recht zubillige als dem Datenschutz.

© SZ vom 02.10.2008/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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