Süddeutsche Zeitung

Spanien:Horrorhaus unter Palmen

Lesezeit: 2 min

Ein Deutscher und eine Kubanerin betrieben das private Altersheim "Villa Germania" an der Atlantikküste. Sie sollen gut betuchte Rentner getötet haben, unter ihnen eine Deutsche.

Von Thomas Urban, Madrid

Ein diabolisches Paar, ein Horrorhaus. Er Deutscher, sie Kubanerin, als Betreiber eines privaten Altersheims sollen beide mindestens fünf gut betuchte Rentner aus Deutschland und Nachbarländern ermordet haben, um an deren Bankkonten zu kommen. Tatort: ein einladendes Anwesen in warmen Pastelltönen - die "Villa Germania" in Chiclana, an der südspanischen Atlantikküste. Die Ermittler der Guardia Civil, der nationalen Polizei, haben keine Zweifel, dass es sich bei dem Deutschen und der Kubanerin um Serienmörder handelt. Sechs weitere Personen wurden verhaftet: Angestellte des Altersheims sowie Helfer bei der Fälschung von Dokumenten.

Die Beweise sind erdrückend. Denn die Polizei befreite in der "Villa Germania" einen betagten Deutschen und eine Holländerin, die das Paar dort gefangen gehalten haben soll. "Sie waren völlig verwahrlost und in schrecklichem Gesundheitszustand", sagte ein Polizeisprecher. Die Opfer waren an ihre Betten gefesselt, wurden künstlich ernährt, obwohl dies aus medizinischen Gründen nicht notwendig war, sie standen unter Drogen, die ihre Willenskraft lähmten. Die beiden seien mittlerweile wieder "klar im Kopf", sagte ein Ermittler. Das deutsch-kubanische Paar habe sie erpresst, Vollmachten für ihre Bankkonten zu unterschreiben, habe sie geschlagen, eingesperrt und gefesselt.

Den Anstoß für die Ermittlungen hatte eine in Frankfurt am Main lebende Frau gegeben. Zu ihrem Freundeskreis gehörte ein älteres Ehepaar. Dieses besaß ein Häuschen auf Teneriffa und beschloss, dorthin umzuziehen. Bald nach dem Umzug starb der Ehemann, und nach mehreren Monaten war die Witwe nicht mehr telefonisch zu erreichen. Ihre Frankfurter Freundin gab eine Vermisstenanzeige auf, welche die Polizei weiterleitete.

Von 168 000 auf 300 Euro gefallen

Die Guardia Civil ermittelte, dass die 101 Jahre alte Dame in die "Villa Germania" umgezogen war. Die örtliche Polizei bekam den Auftrag, die Vermisste persönlich aufzusuchen. Die Frau befand sich tatsächlich in dem Altenheim, zwar gesundheitlich angeschlagen, aber hellwach. Ihre Geschichte schilderte sie folgendermaßen: Nach dem Tod ihres Mannes habe sie das deutsch-kubanische Paar kennengelernt, das ihr Behördengänge und Besorgungen abgenommen habe. Sie habe dem Paar vertraut und sei deshalb dem Ratschlag gefolgt, in das Altenheim zu ziehen. Dort aber werde sie gegen ihren Willen festgehalten, ihr Bankkonto sei von 168 000 auf 300 Euro zusammengeschmolzen, vom Erlös aus dem Verkauf des Hauses auf Teneriffa habe sie keinen Cent gesehen. Die Polizisten brachten die Frau daraufhin in ein anderes Heim. Von dort aber holte das Paar die Frau nach ein paar Tagen wieder ab, unter Vorlage einer gefälschten Betreuungsvollmacht. Die Guardia Civil erfuhr am folgenden Tag davon und schickte eine Streife zur "Villa Germania". Die Polizisten nahmen das Paar fest.

Bei der Durchsuchung des Hauses entdeckten sie nicht nur die beiden eingesperrten Personen, sondern auch Flugtickets nach Kuba, wohin das Paar sich wohl absetzen wollte. Die 101-Jährige aus Frankfurt blieb dagegen verschwunden. Beim Verhör warteten die Beschuldigten mit der Geschichte auf, die alte Dame sei bei der Fahrt zurück in die Villa einem Herzanfall erlegen. Die Guardia Civil fand heraus, dass die Tote noch am selben Tag eingeäschert worden war; offensichtlich sollte eine Obduktion unmöglich gemacht werden. Die Ermittlungen ergaben, dass es zuvor in der "Villa Germania" mindestens vier ähnliche Todesfälle gegeben hatte. Nun wird auch gegen Mitarbeiter des Beerdigungsinstituts ermittelt. Insgesamt hat das Paar rund zwei Millionen Euro an sich gebracht, von einsamen Menschen, die ihren Lebensabend unter Palmen am Meer verbringen wollten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4362731
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 12.03.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.