Süddeutsche Zeitung

Hitze und Trockenheit:Spanien wird zum Wüstenstaat

Im Süden des Landes macht die Dürre vor allem der Landwirtschaft zu schaffen. Stauseen vertrocknen, Avocado-Bauern fällen ihre Bäume. Und Regen ist nicht in Sicht.

Von Karin Janker, Madrid

Zehn Jahre oder länger braucht ein Avocado-Baum, bis er dem Bauern, der ihn gepflanzt und gepflegt hat, erste Früchte schenkt. Zehn Jahre sind eine lange Zeit, jeder einzelne Baum, der vorher eingeht, ist ein schmerzhafter Verlust für den Landwirt. Doch in diesen Wochen beginnen immer mehr Avocado-Bauern im Süden Spaniens damit, ihre Bäume selbst zu fällen. "Nach einem Monat ohne Wasser, sind sie nicht mehr zu retten", sagte José Campos, selbst Landwirt, der Zeitung Málaga Hoy. Die Situation für die Bauern in der Region sei "schrecklich".

Laut spanischem Wetterdienst ist das Wasserwirtschaftsjahr 2021/22 nach derzeitigem Stand das vierttrockenste seit Beginn der Aufzeichnungen. Die anderen drei noch etwas trockeneren Jahre lagen sämtlich ebenfalls im 21. Jahrhundert. Das passt zu der Einschätzung, zu der auch EU-Experten in dieser Woche gekommen sind: Die aktuelle Trockenheit in Europa ist demnach die schlimmste seit einem halben Jahrtausend. Fast die Hälfte Europas ist von Dürre bedroht. Die extreme Trockenheit macht also längst nicht nur den spanischen Avocado-Bauern zu schaffen. Aber was hier passiert, hat auch Folgen für die Supermarktkunden weiter im Norden: Spaniens Süden ist der Garten Europas.

Die Stauseen um Málaga leeren sich

Avocados sind anspruchsvoll. Eigentlich wachsen sie in den Tropen und Subtropen. In der EU bietet lediglich das südspanische Andalusien gute Anbaubedingungen für die Früchte. Doch in einem Jahr wie diesem, in dem Meteorologen schon im Juni Rekordtemperaturen meldeten und ein Ende der Trockenheit nicht abzusehen ist, bräuchten die Avocado-Züchter eigentlich vier Millionen Liter Wasser pro Hektar Land, sagt Landwirt José Campos. Die Regionalregierung von Andalusien hat den Maximalverbrauch aber gerade von zwei auf 1,5 Millionen Liter gesenkt.

Notgedrungen, denn die Stauseen rund um Málaga leeren sich mit jeder Woche - und Regen ist laut Wetterdienst erst im Herbst wieder zu erwarten. Problematisch ist insbesondere die Lage am Viñuela-Stausee, der die Menschen in den weißen Dörfern des Avocado-Anbaugebiets La Axarquía mit Wasser versorgt. Sein Pegelstand liegt aktuell bei nicht mal zwölf Prozent des Füllvermögens, im vorigen Jahr enthielt er um diese Zeit etwa doppelt so viel Wasser.

Und es ist nicht nur hier im Süden dramatisch, überall im Land, selbst im Norden, sind die Pegelstände der Speicherseen so weit abgesunken wie teils seit Jahrzehnten nicht mehr. Mit zumindest einem kuriosen Nebeneffekt: In Galicien ist auf diese Weise eine alt-römische Siedlung wieder zugänglich geworden, die in normalen Jahren auf dem Grund eines Sees ruht, und nördlich von Barcelona tauchte die einst geflutete Kirche Sant Romà de Sau wieder auf.

Doch die wenigsten Spanier können diesem Schauspiel noch etwas abgewinnen. Zu drastisch spüren sie in diesem Jahr die Folgen des Klimawandels, der etwa der Hauptstadt Madrid bis zum Jahr 2050 ein Wüstenklima ähnlich dem in Marrakesch bescheren könnte, wie Forscher in einer Studie der ETH Zürich prognostizieren. Wer kann sich angesichts solcher Aussichten noch an römischen Kastellen und wiedergefundenen Kirchen erfreuen? Zumal die Lebensmittel- und Energiepreise in Spanien wegen der Ukraine-Krise bereits deutlicher angestiegen sind als anderswo. Ernteausfälle dürften die Situation nun weiter zuspitzen.

Brisant ist auch, wie sich der Klimawandel in diesem Jahr in Spanien selbst befeuert: Dadurch, dass die Pegelstände der Stauseen drastisch gesunken sind, funktionieren viele der spanischen Wasserkraftwerke nicht mehr. Wenn sie keinen Strom liefern, muss der Ausfall kompensiert werden, indem Gas verbrannt wird, um Energie zu gewinnen. Man nutzt also mehr klimaschädliches Gas, während gleichzeitig der Klimawandel die Dürre verschlimmert.

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