Spanien:Drogenidylle wider Willen

Das spanische Städtchen Miranda soll der Ort mit dem zweithöchsten Kokainkonsum der Welt sein. Der Bürgermeister bestreitet das verzweifelt.

Javier Caceres

Wenn man die Homepage des nordspanischen Städtchens Miranda de Ebro aufruft, sieht man auch einige Linien. Sie stellen die Wege dar, die von Bilbao, San Sebastian, Logroño und Burgos nach Miranda führen. Zurzeit ist der Ort freilich wegen anderer Linien in heller Aufregung - wegen Kokslinien. Schuld daran ist ein Österreicher namens Thomas Pietschmann, ein wenig zumindest.

Kokain

Kokainparadies oder nicht? Das nordspanische Städtchen Miranda de Ebro

(Foto: Foto: dpa)

An diesem Dienstag nämlich stellte Pietschmann im Namen des UN-Büros für Drogenkontrolle und Verbrechensbekämpfung (UNODC) den Weltdrogenbericht vor und erwähnte dabei auch eine Studie, nach der Miranda der Ort mit dem zweithöchsten Pro-Kopf-Kokainkonsum weltweit sei - hinter New York und vor Washington D.C.

97 Linien pro tausend Nasen würden in Miranda pro Tag konsumiert. Damit liegt das 38.000-Einwohner-Städtchen am Ebro zwar weit hinter Spitzenreiter New York (134), allerdings klar vor Washington (56), San Francisco (31), London (20) und allen deutschen Städten. Mannheim kam als Spitzenreiter auf 15 Linien pro tausend Einwohner - vor Köln, München und Frankfurt.

Zwar wies Pietschmann ausdrücklich darauf hin, dass dies keine UN-Studie sei. Durch verkürzte Pressedarstellungen verfestigte sich in Spaniens Öffentlichkeit dennoch die Gewissheit, die Uno habe Miranda als Drogennest ausgemacht. Ein Unding, findet der empörte Bürgermeister von Miranda de Ebro, Fernando Campo.

Er hat einen Protestbrief an die Uno angekündigt. "Wenn diese Studie von irgendeinem Pepe Pérez in Madrid stammen würden, hätten wir ihn längst verklagt. So müssen wir halt den bürokratischen Weg gehen", sagte er der Zeitung El País, welche die Studie beharrlich der Uno zuschreibt.

Tatsächlich stammt sie vom Nürnberger Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung. Dies hatte das Abwasser einiger Städte untersucht und aus der Konzentrationen des Kokain-Abbauprodukts Benzoylecgonin auf den Drogenkonsum der Anlieger geschlossen. Sogar das Wissenschaftsmagazin Science hat sich für die Methode interessiert, unter der Rubrik: "Harte Fakten über harte Drogen". Eine Erwähnung in der Wissenschaftsbibel gilt als Ritterschlag.

Mirandas Bürgermeister ficht das nicht an: "Egal, was da behauptet wird, Miranda ist kein Drogenparadies, sondern eine ehrliche Arbeiterstadt, und es schmerzt uns, dass wir mit so etwas in Verbindung gebracht werden." Institutsleiter Fritz Sörgel wiederum betonte, dass es sich um eine Momentaufnahme gehandelt habe.

Womöglich hätten außergewöhnliche Umstände zu einem Ausreißer nach oben geführt - wie ja auch nahe liege, dass die niedrigen Werte für München oder Frankfurt Ausreißer nach unten darstellen. Fakt bleibe aber, dass seine Studie eine auch anderweitig gewonnen Grundaussage habe: Spanien ist das Land, in dem am meisten Kokain konsumiert wird. Das wiederum sagt sogar die Uno.

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