Spanien:Drogendealen mit Rollator

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Cannabis, Hasch, Speed, Kokain – die angebotene Produktpalette sei umfassend gewesen, berichtete die Guardia Civil. (Foto: Guardia Civil)

In einem kantabrischen Dorf hat die Guardia Civil eine neunköpfige Drogenhändlerbande verhaftet. Dazu gehört eine 87-jährige Frau mit Gehhilfe, die aus ihrem Wohnungsfenster heraus dealte.

Von Patrick Illinger, Madrid

Das Rentenniveau in Spanien ist gar nicht so übel. Selbst wer nie einer geregelten Arbeit nachging, bekommt im Alter einige hundert Euro, und das 14-mal im Jahr. Im Durchschnitt erhalten Spaniens Rentnerinnen und Rentner an die 1300 Euro monatlich. Doch das Leben ist teuer, und so manche Seniorin und mancher Senior verdient sich mit Gelegenheitsjobs ein Zubrot.

So auch eine 87-Jährige aus dem kantabrischen Küstenort Santoña: Die Frau entschied sich für eine freiberufliche Tätigkeit im Vertriebsbereich, einen Job, den sie auch von Zuhause aus erledigen konnte – quasi im Homeoffice. Nur dass sie keinen Computer benutzte, sondern eine Schnur mit einer daran festgemachten Plastiktüte. Der Kundenkontakt lief über ihr Wohnungsfenster: Von dort ließ sie die Tüte hinab auf die Straße. Die Kundschaft musste dann zunächst Geld hineinlegen. Denn die Ware, die die Frau anzubieten hatte, gab es nur gegen Bares und Vorkasse. Die Auslieferung erfolgte dann ebenfalls mit der Tüte.

Cannabis, Hasch, Speed, Kokain – die angebotene Produktpalette sei umfassend gewesen, berichtete die Guardia Civil von Kantabrien am Montag, nachdem sie eine insgesamt neunköpfige Drogenhändlerbande festgenommen hatte, zu der auch die 87-Jährige gehörte. Insgesamt sind es sechs Männer und drei Frauen. Fünf der Festgenommenen seien bereits im Gefängnis. Die Polizei räumte mehrere Verstecke der Bande aus, eines auch im Nachbarort Limpias.

Örtliche Bars suchte die Frau mit ihrem Rollator auf, um „Verkäufe zu tätigen“

Dabei wurden Substanzen mit einem Gesamtgewicht von 6,5 Kilogramm sichergestellt, insgesamt fast 10 000 Einzeldosen für den Endkunden. Neben fast zwei Kilogramm Speed und drei Pfund Kokain sowie leichteren Drogen fanden die Beamten der Guardia Civil allerlei Gegenstände, die offenbar für ein erfolgreiches Geschäft in diesem Produktsektor notwendig sind: Waagen, Handfeuerwaffen, Samuraischwerter und – etwas rätselhaft – eine verrostete Mistgabel.

Beschlagnahmte Drogen und Gegenstände der Bande. Darunter eine Mistgabel. (Foto: Guardia Civil)

Während manche der jüngeren Bandenmitglieder beim Dealen die Anonymität des örtlichen Supermarktes nutzten, betrieb die 87-Jährige ihr Geschäft aus ihrer Wohnung heraus. Aber nicht nur das: Sie machte sich auch regelmäßig auf den Weg in die örtlichen Bars, um dort „Verkäufe zu tätigen“, wie im Polizeibericht steht. Dass sie beim mobilen Vertrieb der Drogen auf einen Rollator angewiesen war, machte die Sache für sie zwar mühsam, diente aber auch als nahezu perfekte Tarnung.

Mehr als ein Jahr lang hatte die Guardia Civil gegen die Bande ermittelt, die Operation bekam sogar den schönen Namen „Gadus“, der lateinische Begriff für Kabeljau und womöglich eine Anspielung auf die örtlichen Gegebenheiten: Santoña liegt an der fischreichen Nordküste Kantabriens. Es ist nach Santander der zweitwichtigste Fischereihafen der Region und berühmt für seine Thunfisch- und Sardellenkonserven. Die Idylle zwischen Fischerort und sensationellen Sandstränden wird allenfalls durch das Gemäuer eines klobigen Gefängnisses getrübt, das sich hinter den Dünen der Playa de Berria befindet. Auch dorthin, in die Strafanstalt El Dueso, lieferte der nunmehr verhaftete Drogenring seine Ware. Und dort sitzen nun einige der Dealer ein.

Wie das Strafmaß im Fall der 87-Jährigen lautet, ist bislang nicht bekannt geworden. Womöglich muss noch ermittelt werden, ob die alte Dame bei der Warenauslieferung im Rollator auch gefährliche Gegenstände mitführte, wie sie die Guardia Civil sichergestellt hat. Vielleicht ein Samuraischwert. Oder die rostige Mistgabel.

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