Spanien:Das weiß-blutrote Spektakel

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Tierschützer sind entsetzt, Teilnehmer begeistert: In Pamplona hetzt man wieder Stiere. Wie üblich stammen die meisten Verletzten aus der Risikogruppe der Ausländer.

Von Peter Burghardt

Dennis Rodman hat die Mutprobe weitgehend unfallfrei überstanden, das ist bislang eine der besten Nachrichten des aktuellen Stiertreibens von Pamplona. Der vormalige Basketballer, unterdessen 43 Jahre alt und immer noch 2,03 Meter groß, kam früher selbst mit der Gewalt eines Urviehs daher - sicher spielte er nicht zufällig bei einem Klub namens Chicago Bulls.

Wie jedes Jahr ist in Pamplona die Hetzjagd eröffnet. (Foto: Foto: AP)

Beim Festival von San Fermin wagte sich der schreckliche Mr. Rodman am Mittwochmorgen zugunsten einer Stiftung für Multiple-Sklerose-Kranke zwischen noch mächtigere Gestalten. Einige Sekunden lang rannte er wie Hunderte anderer Lebensmüder durch die Gassen der nordspanischen Stadt, verfolgt von fünf Rindern des Züchters Torrestrella, alle ungefähr 600 Kilo schwer.

Gefährlicher Nähe wichen er und seine Begleiter allerdings frühzeitig aus, und so blieb dem Stargast als Souvenir aus dem tierischen Getümmel bloß eine harmlose Schramme am Arm.

Anderen erging es schlechter. Wie üblich stammen die meisten Verletzten bereits nach zwei Tagen aus der Risikogruppe der Ausländer, die - anders als Einheimische - eher naiv an den Start gehen. Zum Auftakt landeten zwei Nordamerikaner im Krankenhaus, dazu mit Verdacht auf Schädelbruch eine junge Portugiesin.

Am Donnerstag folgten mit der gleichen Diagnose eine 40 Jahre alte Französin und eine Australierin, 24. Blessuren erlitten die unvorsichtigsten Spezialisten aus der Umgebung, die "Mozos".

Die meisten hatten vor, die ganze Strecke von 825 Metern Länge bis zur Arena zurückzulegen und wurden unterwegs eingeholt. Der Parcour über das Kopfsteinpflaster ist eng, rutschig, und alles geht sehr schnell: 2.28 Minuten lautet in diesem Jahr bisher die Bestzeit. Die Stiere, heißt es, seien flotter als 800-Meter-Weltrekordler Wilson Kipketer.

In der Gefahr liegt ja offenbar der Reiz dieses Teils des weiß-roten Spektakels zu Ehren des Heiligen San Fermin, das seit 1591 veranstaltet wird und am Dienstag traditionsgemäß mit der Zündung einer Rakete vom Rathausbalkon eröffnet wurde.

Seit Beginn der Aufzeichnungen 1924 wurden 13 Menschen totgetrampelt, der letzte vor zwölf Monaten - Tiere kamen freilich hundertmal so viele um: Sie werden bei der Corrida am Abend von bedeutenden Toreros erstochen, wobei ihre Verteidiger ins Feld führen, dass sie andernfalls in Schlachthäusern gelyncht oder gar nicht erst geboren würden.

Die Verfolger von Dennis Rodman starben jedenfalls nach Dolchstößen der Matadore Davila Miura, El Fandi und Serafin Marin. Sonst ist es aber ein friedlicher Anachronismus, bei dem viel gegessen und noch mehr getrunken wird.

Tierschützer sind entsetzt, Teilnehmer begeistert. Vip Rodman hält es mit seinem Landsmann Ernest Hemingway, der diesem feuchtfröhlichen Abenteurertreffen 1926 seinen wunderbaren Roman "Fiesta" widmete. "Es war eine tolle Erfahrung, ich fühle mich super", berichtete Rodman nach seiner verkürzten Heldentat im Stiftungstrikot, "im nächsten Jahr bin ich wieder dabei." Dann aber bitte ein bisschen länger mitlaufen!

© SZ vom 9.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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