Saharastaub:Wenn die Luft orange flimmert

Saharastaub: Im spanischen Andalusien legt die Saharastaubwolke einen orange-roten Filter über die Landschaft.

Im spanischen Andalusien legt die Saharastaubwolke einen orange-roten Filter über die Landschaft.

(Foto: Sabine Gudath/IMAGO)

Nicht nur in Deutschland, vor allem im Mittelmeerraum färbt Staub aus der Sahara Himmel und Erde orange. Was spektakulär aussieht, kann aber auch der Gesundheit schaden. Die Spanier etwa sollen auf Sport im Freien verzichten.

Von Karin Janker, Madrid

Kurz nach dem Staub kommt der Spott in Madrid an: Sie sollen sich mal nicht so haben, die Festland-Spanier, bloß weil sie dieses Mal auch ein wenig Sahara-Sand abbekommen, spötteln in diesen Tagen die Bewohner der Kanaren in den sozialen Netzwerken über die Aufregung, die momentan im Rest Spaniens herrscht. Tatsächlich ist die calima, der trockene, staubige Wind, der den Himmel rot-orange vernebelt, auf den Kanarischen Insel recht regelmäßig zu erleben. Besonders in diesem Jahr, in dem es bereits mehrere starke Calima-Ereignisse auf den Inseln gab - allerdings ohne dass im Rest Spaniens groß Notiz davon genommen worden wäre. Und jetzt, wo ausnahmsweise auch mal Madrid betroffen ist, titeln die Zeitungen "Die Calima gelangt nach Spanien". Kein Wunder, dass sie sich da ärgern. Dabei habe doch in Marokko nur mal jemand ordentlich durchgefegt, schreibt eine Frau auf Twitter, kein Grund zur Aufregung.

Tatsächlich ist die Luftqualität in weiten Teilen Spaniens laut den Messungen der Europäischen Umweltagentur im dunkellila Bereich: "extrem schlecht". Und das schon seit Dienstagnachmittag. Bis Donnerstag soll das Phänomen noch andauern, bis dahin gelten in vielen Regionen Spaniens besondere Empfehlungen zum Gesundheitsschutz. So rief etwa der Bürgermeister von Madrid, José Luis Martínez-Almeida, dazu auf, derzeit auf Sport im Freien zu verzichten. Der Bürgermeister von Almería, Ramón Fernández-Pacheco, bat die Bevölkerung in der südspanischen Stadt sogar, das Haus nur in notwendigen Fällen zu verlassen und ansonsten Türen und Fenster geschlossen zu halten. Wie die Zeitung El País berichtet, habe es am Dienstag in Almería einen Ansturm auf die Notaufnahmen gegeben: Vor allem junge Patienten mit Asthma seien dort vorstellig geworden und klagten über Atemnot und starken Husten.

Das Wetterphänomen Calima, das in diesen Tagen auch in Teilen Deutschlands, vor allem im Süden, aber auch in Nordrhein-Westfalen den Himmel rötlich schimmern lässt, hat in Spanien deutlich stärkere Auswirkungen als in Mitteleuropa. Gleichzeitig ist in Spanien der Staub aus der Sahara kein unbekannter Gast: In manchen Regionen, vor allem im Südosten des Landes und auf den Kanarischen Inseln, kann Wissenschaftlern zufolge an etwa einem Drittel der Tage im Jahr Saharastaub in der Luft nachgewiesen werden. Allerdings nicht in derartigen Mengen wie in diesen Tagen. Von einem "außergewöhnlichen" Ereignis sprechen spanische Meteorologen, vor allem wegen der Intensität und der Dauer. Demnach war Spanien an diesem Dienstag das Land mit der schlechtesten Luftqualität weltweit. Der Richtwert für Feinstaub mit einer Partikelgröße von maximal zehn Mikrometern, der in der EU bei einem Tagesmaximalwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter liegt, wird in Teilen Spaniens auch am Mittwoch um ein Vielfaches überschritten. Teilweise lagen die gemessenen Werte bei 1000 Mikrogramm pro Kubikmeter.

Das Sturmtief Celia brachte den Staub aus der Sahara übers Mittelmeer und fegte ihn mit Böen von bis zu 130 Stundenkilometern über die iberische Halbinsel. Bis in die schneebedeckten Pyrenäen gelangte der rötliche Staub im Laufe des Dienstags, färbte dort Schneehänge in Sepia und wurde weiter bis in die Schweizer Alpen und nach Süddeutschland getragen, wo er orangeroten Himmel über schneebedeckten Bergen zauberte.

Saharastaub: Der Schnee im französischen Skiort Piau-Engaly ist nicht mehr weiß, sondern braun.

Der Schnee im französischen Skiort Piau-Engaly ist nicht mehr weiß, sondern braun.

(Foto: Bastien Arberet/AFP)

Eine direkte Verbindung solcher Wetterphänomene zum Klimawandel sehen die meisten spanischen Meteorologen nicht. Indirekt trage dieser allerdings sehr wohl dazu bei, dass die Calima häufiger beobachtet werden könne als früher. Zum einen, weil sich durch die Klimakrise die Sahara ausdehnt und durch die fortschreitende Verwüstung mehr Staub in die Luft gelangen könne, sagt Rubén del Campo, Sprecher des Staatlichen Wetterdienstes in Spanien, Aemet. "In den vergangenen 100 Jahren hat sich die Sahara um zehn Prozent vergrößert", so del Campo.

So gefährlich der Saharastaub für Asthmatiker und Menschen mit Atemwegsbeschwerden sein kann, so nützlich ist er andererseits für die Natur. Da der Staub reich an Mineralien wie Phosphor und Eisen ist, sei er für die Böden ein guter Dünger, sagt der Geologe Juan Bahamonde. Allerdings hänge es eben davon ab, auf welchen Boden er fällt. Denn legt sich das rote Pulver großflächig über Gletscher, würden diese bei gleicher Sonneneinstrahlung schneller schmelzen. So verbinden sich die negativen Effekte der Calima mit denen des Klimawandels, erklärt Bahamonde.

Saharastaub: Der Blick auf den Palacio de Cibeles in Madrid ist durch den Saharastaub getrübt.

Der Blick auf den Palacio de Cibeles in Madrid ist durch den Saharastaub getrübt.

(Foto: Carlos Luján/dpa)

In Deutschland wird die Staubkonzentration in der Luft keine gefährlichen Werte annehmen, vermuten Meteorologen. Auch der orangefarbene Schimmer am Himmel dürfte sich bereits bis zum Donnerstag wieder verflüchtigen. Was dann aber weiter zu beobachten sein dürfte, sind besonders farbenfrohe Sonnenuntergänge. In Madrid, wo die Sonne weiterhin hinter einer trüben Dunstglocke versteckt ist, fallen diese dagegen wohl aus. Und auf den Kanaren? Dort hat man nach dem ersten Spötteln nun sein eigenes Wetterextrem: Sturmtief Celia brachte den Inseln unerwartet Schnee und Kälte. Im spanischen Fernsehen zeigten sie Szenen von Schneeballschlachten inmitten von sonst ganzjährig frühlingshaften Pinienwäldern. Trotz der Freude über diese Überraschung: Ganz einig, ob sie Calima langfristig gegen Frost tauschen wollten, ist man sich dort nicht.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusKrieg und Inflation
:So können Verbraucher beim Einkaufen sparen

Gurken, Eier, Tomaten oder Butter - der Einkauf von Lebensmitteln wird immer teurer. Woran das liegt und was man dagegen tun kann.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: