Sozialhilfeempfänger fälschen Kunst:Rechtschreibfehler auf antiken Friesen

Ein Anruf bei... Erin Hogan vom Art Institute of Chicago, das für 125.000 Dollar einen Gauguin gekauft hat, der gar kein Gauguin war.

Charlotte Frank

Im Jahr 2001 nannte das Art Institute of Chicago seine neueste Gauguin-Skulptur noch voller Euphorie "eine der wichtigsten Neuerwerbungen der vergangenen 20 Jahre". Jetzt herrscht Katerstimmung bei Museumssprecherin Erin Hogan und ihren Kollegen: Die Skulptur ist gefälscht - von drei englischen Sozialhilfeempfängern, die in ihrer Gartenlaube vermisste Kunst in Serie reproduzierten und damit renommierte Kunsthändler und Museen weltweit hereinlegten.

Sozialhilfeempfänger fälschen Kunst: Sah aus wie ein echter Gauguin: Die Skulptur des Fälschers Shaun Greenhalgh aus Bolton in England.

Sah aus wie ein echter Gauguin: Die Skulptur des Fälschers Shaun Greenhalgh aus Bolton in England.

(Foto: Foto: AP)

Der Schwindel flog erst auf, als die Fälscher dem British Museum in London einen assyrischen Steinfries verkaufen wollten - mit Rechtschreibfehlern in der Inschrift. Daraufhin nahm auch das Art Institute of Chicago seinen Bestand unter die Lupe.

SZ: Frau Hogan, wie kann es passieren, dass den Experten aus Ihrem Hause eine falsche Skulptur angedreht wird?

Hogan: Eines muss man dem Betrüger lassen: Er ist ein sehr guter Fälscher. Seine Skulptur sah wie ein echter Gauguin aus. Das haben nicht nur wir ihm geglaubt, sondern auch viele wissenschaftliche Institute, Historiker und die Experten des Auktionshauses Sotheby's.

SZ: Dann muss der Fälscher ja ein ziemlich begabter Künstler sein, oder?

Hogan: Sagen wir so: Er hat einen sehr überzeugenden Gauguin produziert und kennt sich gut in Kunstgeschichte aus. Leider verschwendet er sein Talent auf kriminelles Fälschen. Er weiß genau, welche Objekte vermisst werden und stellt gezielt Plagiate her. Mit dieser Strategie haben er und seine Eltern Museen und Sammler auf der ganzen Welt betrogen.

SZ: Wie ist Ihnen aufgefallen, dass bei Ihnen ein falscher Gauguin steht?

Hogan: Durch eine Aussage des Betrügers vor Gericht. Wir kennen den Mann inzwischen, es ist Shaun Greenhalgh aus Bolton in England. Mehr als zwei Jahrzehnte lang hat er in Heimarbeit falsche Skulpturen und Bilder produziert, die seine Eltern mit großem schauspielerischen Talent verkauft haben. Vergangenen Monat flog der Schwindel auf, alle drei wurden verhaftet. Später kam raus, dass auch wir ihnen aufgesessen sind.

SZ: Und das, nachdem der Chefkurator Ihres Hauses in dem Plagiat "eine ikonographische Verarbeitung der zerbrechenden Beziehung des Künstlers zu seiner Frau" gesehen haben will. Ein bisschen peinlich ist das schon, oder?

Hogan: Nein, es bestand für uns kein Grund zum Zweifeln. Viele Experten hatten die Echtheit des Objekts bestätigt. Außerdem ist historisch belegt, dass es in Gauguins Werk tatsächlich eine Faun-Skulptur gibt, die wie die betreffende in unserem Haus halb Mensch, halb Ziege ist. Die wurde 1906 und 1917 bereits ausgestellt, dann verschwand sie.

SZ: Und Sie dachten schon, Sie hätten sie wiedergefunden und haben gleich mal 125.000 Dollar dafür ausgegeben?

Hogan: Über die Kaufpreise unserer Ausstellungsstücke geben wir grundsätzlich keine Auskunft. Aber soviel kann ich sagen: Die Enttäuschung in unserem Museum ist groß.

SZ: Befürchten Sie jetzt, dass sich noch mehr Greenhalgh-Fälschungen in Ihrem Bestand befinden?

Hogan: Nein, das schließen wir aus. Unter den Neuanschaffungen der vergangenen Jahre kommt dafür keine infrage.

SZ: Und was machen Sie nun mit der falschen Gauguin-Figur?

Hogan: Das steht noch nicht fest. Bereits im Oktober wurde sie aus der ständigen Ausstellung genommen - das sollte eigentlich vorübergehend sein, aber jetzt gehen wir davon aus, dass unsere Besucher das Objekt nicht mehr zu sehen bekommen. Im Keller wird es aber auch nicht auf ewig verschwinden. Es gibt Anfragen von Museen, die Ausstellungen über Plagiate organisieren wollen und unseren Gauguin-Faun dafür haben wollen. Gut möglich, dass wir das annehmen. In jedem Fall bewahren wir die Fälschung aber auf. Ist ja irgendwie auch ein wertvolles Dokument - natürlich nur in Hinsicht auf unsere Museumshistorie.

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