Süddeutsche Zeitung

Sophia Loren wird 70:Von der Vorstadtschönheit zum Weltstar

Eine großzügige Oberweite und dünne Beine, die als "Stuzzicadenti" - Zahnstocher - verspottet wurden: Mit dieser Grundausstattung gelang dem Mädchen aus Neapel Anfang der 50er Jahre ein atemberaubender Aufstieg zur international gefeierten Filmdiva.

Ein Hauch des Gewagten umgibt sie, fast schon ein Anflug des Ungehörigen, des Verbotenen: Darf sich eine ältere Frau noch so zeigen? Erst kürzlich, beim Filmfestival in Venedig, hatte Sophia Loren wieder mal ihren Auftritt.

Da stand sie, die wohl letzte große Diva unserer Zeit: Trägerloses Kleid, tiefer Ausschnitt, die Schultern entblößt - nur ein paar leise Fältchen um den Mund ließen Spuren der Zeit erahnen. Die anderen Stars und Sternchen auf der Bühne waren gut 40 Jahre jünger als sie - eine Chance hatten sie trotzdem nicht. Am 20. September wird Sophia Loren 70 Jahre alt. "Alter ist doch unwichtig", sagt sie lächelnd.

Dabei hat sie sich längst eine zweites Image zugelegt. "Mamma Sophia", nennen die heimischen Medien sie heute - eine größeres Lob kann es in Italien nicht geben. Lasziv und verführerisch, zugleich bodenständig und mit Herzenswärme, frivol und doch moralisch, so waren auch die größten Rollen der Diva.

Spiel mit der Weiblichkeit

Das Gewagte und Kokette waren schon immer ihre besten Rollen, noch heute liebt sie es, mit ihrer Weiblichkeit zu spielen: "Wenn ich mich im Spiegel sehe, denke ich noch immer: Gar nicht so schlecht, die Loren!"

Schließlich tue sie auch was dafür, jeden Tag nach dem Aufstehen Gymnastik und Laufen im eigenen Park am Genfer See. "Aber erst mal Schminken, vor allem um die Augen. Denn auch um sieben in der Früh: Die Loren ist schließlich die Loren."

Etwa in "Hochzeit auf Italienisch" (1964) mit ihrem Traumpartner Marcello Mastroianni, in dem sie darum kämpft, den Mann zu heiraten, dem sie Haushalt und Geschäft führt. Oder in "Und dennoch leben sie" (1960), in dem sie eine Mutter spielt, die gemeinsam mit ihrer Tochter im Krieg vergewaltigt wird. Gerade mal 26 Jahre war sie damals, erst mit diesem Film sei sie wirklich zur Schauspielerin geworden, sagte sie einmal - und bekam einen Oscar.

Mit 14 zum ersten Schönheitswettbewerb

"Ich habe im Leben viel mehr erreicht, als ich je geträumt hatte", sagte die Frau mit dem großzügigen Mund und den grünen Katzenaugen, die im Arbeitervorort Pozzuoli in Neapel aufwuchs. Schon früh hatte die allein erziehende Mutter Großes vor mit ihr, schon als 14-Jährige musste die Tochter zu Schönheitswettbewerben. "Stuzzicadenti", Zahnstocher, wurde sie genannt, der dünnen Beine wegen.

Die Stunde des Schicksals schlug, als sie 1950 Carlo Ponti kennen lernte. Der war zwar einen Kopf kleiner und 21 Jahre älter als sie und von Schönheit nicht gerade gesegnet, aber er war Filmproduzent.

Angeblich soll er sich anfangs um die 16-jährige Göre gar nicht gekümmert haben. Später machte er sie zum Weltstar. "Drei Sünderinnen" war 1953 der erste große gemeinsame Erfolg. Einer der erfolgreichsten Paare der Filmgeschichte hatte sich gefunden.

Nur privat ging die Sache schwieriger voran, Ponti war verheiratet, Scheidung in Italien damals tabu - erst 1966 wurde eine rechtskräftige Ehe geschlossen, in Paris, beide nahmen eigens die französische Staatsbürgerschaft an.

30 Tage hinter Gitter

Ärger mit der italienischen Justiz hatten die beiden später nochmals, wegen Steuergeschichten, 1982 musste die Loren sogar für 30 Tage hinter Gitter; wenn auch unter vergleichsweise angenehmen Bedingungen.

Die Loren spielte an der Seite von Richard Burton, Marlon Brando (den sie 1967 in "Die Gräfin von Hongkong" fast an die Wand spielte) und mit Cary Grant, mit dem die ansonsten so Tugendsame eine Affäre gehabt haben soll.

Doch immer wieder war es Mastroianni, mit dem sie am liebsten spielte, wie in "Gestern, heute, morgen" (1963) oder auch, das schon fast ein Art Alterswerk, in "Prêt-à-porter" (1994). Sie waren das Traumpaar des italienischen Kinos. "Wir sind austauschbare Teile ein und desselben Köpers", sagt die Loren.

Jeden Abend um neun ins Bett

100 Filme hat die Vollblutitalienerin mit eiserner Disziplin, die angeblich jeden Abend um neun Uhr schlafen geht, bisher gedreht. Nebenbei schrieb sie ein Kochbuch, in dem sie von neapolitanischer Pasta schwärmt. Ihr größter Wunsch zum 70. Geburtstag ist ein "nipotino" - ein kleiner Enkel.

Noch immer ist die Loren mit dem nun schon über 90-jährigen Ponti verheiratet, die eheliche Erfolgsgeschichte eines äußerlich so ungleichen Paares. Frustrierte Frauen spielt die Loren nur im Kino, wie zuletzt in einem von Sohn Edoardo inszenierten Melodram, das allerdings beim deutschen Publikum wenig Erfolg hatte.

Den Herzanfall von 1998 auf dem Flug von New York nach Los Angeles hat die Diva offenbar gut überstanden. "Alles ist die Frucht von Disziplin, Hingabe und Opfern. Und von Dickköpfigkeit", hat die Neapolitanerin einmal über das Geheimnis ihres lang anhaltenden Erfolgs gesagt. Können und Glück hatten gewiss auch ihren Anteil daran, dazu das, was Italien und die Welt an Sophia Loren so sehr schätzt: Bella Figura.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.923487
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Peer Meinert, dpa/Wolfgang Hübner, AP
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.