Sommerloch 1963:Heißer Sex im Kalten Krieg

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Der Sommer wird frivol: Ein Callgirl nimmt es mit Mächtigen aus Ost und West auf, der Boulevard quietscht vergnügt. Britanniens Heeresminister nimmt den Hut - und der Zuhälter sich das Leben.

Johannes Honsell

Für manche war es ein Sommer des Abschieds. Adenauer war nur noch ein paar Monate Kanzler, John F. Kennedy kam ihn besuchen. Ein Foto zeigt die beiden lächelnd im Wagen in West-Berlin. Generationenwechsel, der tausendfaltige Greis und der junge Hoffnungsträger.

Es waren verheißungsvolle Monate. Mit Martin Luther King träumten 250.000 in Washington von einer Zukunft ohne Rassentrennung. In Moskau einigten sich die Supermächte auf einen Teil-Stop bei Atomversuchen. Ende August wurde der heiße Draht in Betrieb genommen.

Die Tageszeitungen verfielen in ihren Sommerrhythmus: Die Atomwaffenteststoppabkommenskonferenz käme gut voran (18. Juli), es gebe möglicherweise bald Ergebnisse (Ende Juli), die Konferenz dauere weiter an (Anfang August), die Konferenz sei zu Ende und ein Erfolg (5. August).

In den deutschen Sommerlöchern der 60er galt: Wenn keine Politik statt fand, tat man halt so, als ob. Tiere hatten nicht über die erste Seite zu tapsen, es sei denn, man hatte Atomversuche mit ihnen angestellt oder sie ins All geschossen.

Auch Sex war tabu. Zum Glück für die deutschen Nachrichtenmacher gab es einen pikanten Skandal im swinging London, bei dem es auch um Politik ging - da durfte man berichten.

Das Mädchen wird reich

Der britische Heeresminister Profumo hatte sich mit dem Callgirl Christine Keeler verlustiert, was recht banal wäre, hätte sie es nicht gleichzeitig auch noch mit dem russischen Militärattaché Iwanow getrieben. "Spionage in Spitzenhöschen!", quietschte der britische Boulevard. Profumo stritt alles ab, gestand dann doch und trat zurück.

Damit ging die Sache aber erst richtig los. Keeler war der Star des Prostituiertenringes von Stephen Ward, einem High-Society-Arzt, Maler, Lebemann und Edel-Zuhälter. Wards Prozess begann im Sommer, die Spekulationen wucherten: Waren die Royals verstrickt? Hatte Keeler wirklich mit dem pakistanischen Präsidenten in Lord Astors Pool...?

Nicht alles wurde aufgeklärt, der Spionagevorwurf ließ sich jedenfalls nicht halten. Keeler wurde durch den Prozess reich, Ward brachte sich am letzten Verhandlungstag um.

Den britischen Premier Harold Macmillan nahm die Affäre politisch und gesundheitlich so sehr mit, dass er am 18. Oktober zurücktrat, drei Tage nach Konrad Adenauer. Der alte Herr aus Rhöndorf bezog prunkvolle Räume im Bundeshaus, blickte auf den Rhein und begann seine Memoiren zu schreiben.

Er war wohl noch am Anfang seines Lebens, als im November ein hoffnungsvoller Sommer endgültig vergessen war. John F. Kennedy wurde erschossen, in einem offenen Wagen auf der Dealey Plaza in Dallas.

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