Sommerloch 1987:Der "Schlächter von Lyon"

Die Tour de France startet in West-Berlin und versetzt die Republik in Euphorie, der "Schlächter von Lyon" wird zu lebenslanger Haft verurteilt und ein "nackter Professor" macht Schlagzeilen in den Blättern.

Beate Wild

Im Sommer 1987 machte der "nackte Professor" Schlagzeilen in den Blättern der Republik. Ein exhibitionistischer Hochschullehrer? Ein Lehrkörper außer Rand und Band? Ein Sex-Skandal an deutschen Unis? Mitnichten!

Klaus Barbie

Wurde als "Schlächter von Lyon" bekannt: Klaus Barbie.

(Foto: Foto: Reuters)

Mit dieser Metapher wurde der Prototyp des braven, fleißigen Uni-Dozenten umschrieben, der aufgrund der staatlichen Sparmaßnahmen mit immer weniger Budget und immer weniger wissenschaftlichen Hilfskräften auskommen musste. Besonders in der Bredouille war die Universität Göttingen, der von Ministerpräsident Ernst Albrecht (dem Vater der heutigen Familienministerin Ursula von der Leyen) ein strikter Sparkurs verordnet wurde.

Die Studenten sahen das Hochschulsystem schon am Ende und gingen auf die Straße, um für ihr Recht auf Bildung zu demonstrieren. Geändert hat das an den Budget-Kürzungen jedoch nichts.

Als die Tour noch ohne Skandale war

In Westberlin startete im Juli 1987 die Tour de France. Der französische Premierminister Jacques Chirac durchschnitt mit Berlins regierendem Bürgermeister Eberhard Diepgen das Band zur 74. Frankreichrundfahrt. Auf deutschem Boden habe er eine solche Stimmung noch nicht erlebt, stellte Radler Rolf Gölz nach der ersten Etappe fest. Die Atmosphäre, die Begeisterung, lobte Kollege Dietrich Thurau, seien ähnlich wie in Frankreich. Auch die Gazetten überschlugen sich vor Euphorie. Kein Wunder: die bekannteste Radtour der Welt war damals noch rein und unschuldig - von Dopingskandalen wusste man zu der Zeit noch nichts.

Lebenslang für den "Schlächter von Lyon"

Mit kaum einem Namen ist das ganze Gräuel des Nazi-Terrors stärker verbunden als mit dem von Klaus Barbie. Der als "Schlächter von Lyon" bekannt gewordene Kriegsverbrecher wurde am 4. Juli 1987 der Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gesprochen und zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt.

Während des Dritten Reichs war Barbie bis 1944 in Südfrankreich für die Folterung und Ermordung von Mitgliedern der Résistance verantwortlich. Darüber hinaus wurden ihm zahlreiche weitere Verbrechen zur Last gelegt, wie das Massaker in St. Genis-Lacal, die Deportierung der sogenannten Kinder von Izieu sowie zahlreiche Erschießungen im Gefängnis von Montluc.

Augenzeugen berichteten, dass kaum jemand mit so großer Grausamkeit und Kaltschnäuzigkeit seine Opfer misshandelt hätte, wie der "Schlächter von Lyon". Mit den Worten "Das war Krieg. Der Krieg ist vorbei", wies Barbie im Prozess jede Schuld von sich.

Rudolf Heß erhängt sich

Noch ein anderer Nazi-Scherge schaffte es im Sommer 1987 in die Schlagzeilen: Am 17. August 1987 erhängte sich der Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß im Spandauer Gefängnis. Heß war 93 Jahre alt und insgesamt 46 Jahre inhaftiert. Im Nürnberger Prozess zu lebenslanger Haft verurteilt, hielt er auch nach Kriegsende an seiner starren Haltung der Ignoranz fest.

Seit 1966 war Heß der einzige Insasse der Haftanstalt Spandau. Jeden Monat lösten sich die Wachen von Russen, Amerikanern, Franzosen und Engländern für den einsamen, kranken Greis ab, dessen Zelle in den letzten Jahren unverschlossen war. Sein Haftzimmer war von 38.000 Kubikmetern Festungsräumen umgeben, mit Türmen, auf denen Tag und Nacht bewaffnete Wächter postiert waren. Die SZ schrieb damals, Heß sei mit einem Aufwand festgehalten worden, "als gelte es, den Teufel persönlich gefangenzuhalten".

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