Sommerloch 1995:Robbie ging - und die Mädchen weinten

Sommer 1995: Zehntausende Teenager trauern, weil ein Musiker namens Robbie Williams seine Band Take That verlässt. Einer Solokarriere geben Buchmacher wenig Chancen.

Johannes Honsell

August 1995, fast 40 Grad im Schatten. Auf den Plätzen des andalusischen Dörfchens Berchules liegt trotzdem Schnee. Weihnachtsgirlanden hängen aus den Fenstern, Lieder vom Winter hallen durch die Gassen. Bürgermeister Jose Ocana Jimenez hat die Idee gehabt, mit 900 Dorfbewohner und 4.000 Gästen Neujahr zu feiern. Damit nicht wie im letzten Jahr "ein Stromausfall alles lahm legen kann".

Das lehrt uns vielerlei: Dass der Spruch "Alles zu seiner Zeit" nicht stimmt. Dass es in Spanien für manche Bewohner vielleicht doch zu heiß ist. Vor allem aber: Dass man Dinge tun muss, bevor es zu spät ist.

Das denkt sich im Sommer 1995 ein junger Mann Anfang 20, und trifft eine folgenschwere Entscheidung. Robert Peter Williams trennt sich von Gary Barlow, Mark Owen, Howard Donald und Jason Thomas Orange. Take That sind nur noch zu viert. Dann kommt das Chaos.

Weltweit stürzen Zehntausende Mädchen unter 20 in einen Höllenschlund der Trauer. Der Berliner Senat richtet eine Not-Hotline ein, bei der täglich Hunderte Mädchen anrufen und drohen, sich mit einem Kuscheltier zu ersticken. Hundertschaften verheulter Teenager halten Mahnwachen vor dem Hilton Hotel, der traditionellen Absteige der Band.

Eiergefecht mit Punkern

Take That doch nicht so ernst, will man den Mädels da zurufen. Doch nichts drängt durch ins Tal der Tränen. Denn ihr Idol hat eine intakte Gruppe gesprengt, weswegen sich ein Psychologieprofessor im Focus zu dem Satz versteigt, der Ausstieg Robbies sei für viele Fans "wie der Tod eines Familienmitglieds".

Und weil man mit der Familie keine Späße treibt, kommt es auf den Straßen Hannovers zwischen trauernden Take-That-Anhängern und spottenden Punks zu einem heftigen Eiergefecht, dass den Robbie-Fans kurzfristig Linderung und den Punks drei Festnahmen einbringt. Immerhin sind die Punks im Knast nicht lang allein, denn ein paar Wochen später sind Chaostage, in jenem Jahr sogar besonders schlimme.

Überhaupt passieren in jenem Sommer viele wirklich schlimme Dinge. Das Massaker in Srebrenica, Bombenattentate in der Pariser S-Bahn, chinesische Atomwaffentests.

Thema Nummer eins ist trotzdem Bruder Robert, der seinen Fans erklärt, die Jahre mit Take That seien gewesen wie Gefängnis. Nun entdecke er, "wie großartig es ist, meine eigenen Koffer zu tragen". Die Londoner Buchmacher fixieren die Quote für einen Flop von Robbies erster Solo-Platte auf 8:1. Der Rest ist Geschichte.

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