Sommerloch 1982:Der Mann am Bett der Königin

Königlicher Irrsinn 1982: Ein Ire schleicht nachts im Buckingham-Palast umher, sitzt auf dem Thron und redet mit der Queen in ihrem Schlafzimmer. Da muss sich die Premierministerin entschuldigen.

Johannes Honsell

Im Sommer 1982 schwamm ein Schwertfisch vor Kalabrien verzweifelt seiner von einem Fischkutter geraubten Geliebten hinterher, und als er an der Hafeneinfahrt die "Ausweglosigkeit seiner Verfolgung" (SZ) erkannte, suchte er den Freitod: "Von einer Welle" ließ er sich "an den Strand spülen" und verendete, schockgefroren vor Liebeskummer.

Morgendliche Schreckensminuten: Britanniens Queen Elisabeth II., auf diesem Bild nicht im royalen Nachthemd

Morgendliche Schreckensminuten: Britanniens Queen Elisabeth II., auf diesem Bild nicht im royalen Nachthemd

(Foto: Foto: AP)

Wohin die Liebe führen kann, die schönste und doch gefährlichste aller Mächte! Solch tragische Liebesgeschichten gab es zuhauf damals. Allen voran jene zwischen der SPD und der FDP, jenen Bonner Regierungsparteien, die noch einige bittere Sommerszenen einer Ehe aufführten, bevor sie sich im Oktober endgültig scheiden ließen.

Dazu passte, dass Bundeskanzler Helmut Schmidt den besiegten Madrider WM-Finalkickern Kabinentrost spendete, wie er ihn selbst gebrauchen konnte: "Kinder, macht doch nicht so bedröppelte Gesichter. Was meint ihr wie unsereins schon verloren hat und verliert."

Das bitterste Beziehungsdrama aber ereignete sich in London, genauer: Im Buckingham-Palast. Am frühen Morgen des neunten Juli erwachte Queen Elizabeth II. und sah einen irischen Mann am Ende ihres Bettes stehen. Seine Hand war verletzt, irisches Blut tropfte auf königlichen Samt. Ansonsten nur: Stille. Die Königin, ruhig, griff nach einer Weile zum Telefonhörer und bestellte die Palast-Polizei - die allerdings nicht kam.

Ein Mann am Bett der Königin. Das ist peinlich für die Sicherheitskräfte, aber auch irgendwie romantisch. Der Eindringling hätte die Queen in ihr königliches Laken einschlagen und mitnehmen können. Die Königin hätte nach anfänglicher Gegenwehr ("I am the queen of England, bloody hell!!") das Stockholm-Syndrom bekommen und wäre jetzt eine irische Wäscherin. Charles wäre König, Diana noch am Leben. Und Camilla hätte gar nichts.

Es kam anders. Der Besucher, ein 31-jähriger Familienvater namens Michael Fagan, wollte nur mit seiner Angebeteten reden. Über das Leben, die Liebe. Die Queen sprach über die Familie, schließlich hatten beide vier Kinder. Irgendwann kam eine Zofe herein, die ihrerseits noch mal mit Nachdruck nach der Polizei schrie, die dann endlich kam. Zwölf Minuten nach dem ersten Anruf der Queen.

Später kam heraus, dass Fagan schon einmal in den Buckingham-Palast eingedrungen war. Er hatte ein Weilchen auf dem Thron gesessen und eine halbe Flasche königlichen Weins getrunken. Beim zweiten Besuch gelangte er bis ins Gemach der Königin, weil der Wachposten gerade die königlichen Hunde spazieren führte.

Spott und Hohn ergossen sich über den englischen Innenminister, der auch noch blöd genug war, im Unterhaus darauf hinzuweisen, dass doch erst 1981 die Sicherheitsvorkehrungen verschärft worden waren. Seinen Hut musste er trotzdem nicht nehmen, Margaret Thatcher entschuldigte sich persönlich bei der Queen.

Und Michael Fagan? Es wurde keine Anklage gegen ihn erhoben, das damalige britische Recht gab das nicht her. Vielleicht kam er aber auch deshalb davon, weil er ein harmloser, psychisch labiler Mensch war, der nur mal mit der Königin reden wollte. Über das Leben. Über die Liebe.

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