Sommer in der Stadt:Brüssels Traum vom Freibad

Sommer in der Stadt: Vor zwei Jahren hat die Initiative "Pool is Cool" in Brüssel ein Becken aufgestellt. Leider musste der Pool nach ein paar Wochen wieder weg.

Vor zwei Jahren hat die Initiative "Pool is Cool" in Brüssel ein Becken aufgestellt. Leider musste der Pool nach ein paar Wochen wieder weg.

(Foto: Paul Steinbrück/Pool is cool)

Die Stadt hat 1,1 Millionen Einwohner, 24 Sterne-Restaurants - und null öffentliche Sommerbäder. Wie eine Bürgerinitiative darum kämpft, der europäischen Hauptstadt endlich Kühlung zu verschaffen.

Von Karoline Meta Beisel, Brüssel

Die Expedition war von langer Hand geplant gewesen: Alle nötigen Genehmigungen waren eingeholt, die Teilnehmer zusammengestellt, auf Facebook war allen Freunden Bescheid gesagt - und dann musste das Ganze doch in allerletzter Sekunde abgesagt werden: zu viele Bakterien im Wasser.

Paul Steinbrück spricht von "Expeditionen", wenn er dazu aufruft, in einen der Brüsseler Weiher zu springen, so wie Mitte August in den Teich des Stadtparks Bois de la Cambre. Der Name trifft es ganz gut, denn in Brüssel unter freiem Himmel zu baden, ist ein Abenteuer: Es gibt in der Stadt zwar 1,1 Millionen Einwohner, 24 Sterne-Restaurants und eines der tiefsten Tauchbecken der Welt - aber kein einziges öffentliches Freibad, und auch keinen Kanal oder See, in dem Schwimmen erlaubt wäre.

Der Dresdner Architekt will das ändern. Er lebt seit zehn Jahren in Brüssel und hat 2015 die Bürgerinitiative "Pool is cool" gegründet. "Eigentlich bräuchte eine Stadt, die so groß ist, wie Brüssel, nicht ein Freibad, sondern zehn", sagt er. Steinbrück zufolge ist Brüssel die einzige europäische Hauptstadt ohne öffentliches Freibad.

Das letzte Freibad von Brüssel schloss seine Tore schon vor mehr als 40 Jahren, im Internet beginnt ein Artikel über das Draußenschwimmen in Brüssel mit den Worten "Es war einmal". Warum die einstmals vier Brüsseler Freibäder nach und nach ihre Tore schlossen, darüber gebe es kaum Aufzeichnungen, sagt Steinbrück, die Grundstücke würden längst anders genutzt. Jüngere Brüsseler kennen ihre Stadt gar nicht mehr mit einem Freibad.

Wenn es heiß wird, fahren sie ans Meer, je nach Start- und Zielort dauert die Fahrt anderthalb bis zwei Stunden. Etwas näher ist ein Naherholungsgebiet, etwa 45 Minuten nordöstlich von Brüssel, dessen Badestelle aber nur nutzen darf, wer seinen Ausweis zeigt. Wer kann, füllt im Garten ein Planschbecken. Allen anderen bleibt zur Abkühlung nur die Badewanne (wenn man eine hat) - oder der Gang ins Museum: Als während der Hitzewelle Ende Juli die Temperaturen auch in Brüssel an die 40 Grad heranreichten, ließen die Königlichen Museen gnädig mitteilen, wer älter sei als 65 Jahre, müsse keinen Eintritt zahlen, um sich in die gekühlten Säle zu flüchten.

Sommer in der Stadt: „Pool is cool“ versteht sich nicht als Spaßverein, sondern ist um politische Einflussnahme bemüht.

„Pool is cool“ versteht sich nicht als Spaßverein, sondern ist um politische Einflussnahme bemüht.

(Foto: Paul Steinbrück/Pool is cool)

"Ein Freibad ist auch ein demokratischer Ort"

Selbst für all jene, die Baden nicht zwingend mit gekachelten Becken verbinden, sind die Optionen begrenzt: Zum einen ist das Schwimmen in Brüssels Kanälen und Seen in der Regel verboten, die Aktionen von "Pool is cool" sind die Ausnahme. Dort helfen die Behörden sogar bei den nötigen Wasserproben.

Aber die führen gleich zum zweiten Hindernis: Die Wasserqualität ist in Brüssels Gewässern oft zu schlecht zum Baden, vor allem nach starken Regenfällen, und die kommen in Brüssel leider manchmal vor. Dann werden Coli- und andere Bakterien ins Wasser geschwemmt. Das war auch der Grund, warum Steinbrück dieses Jahr zwei von drei Expeditionen absagen musste.

Immerhin eine der drei Veranstaltungen konnte aber stattfinden: An einem Wochenende Ende Juli kamen an zwei Nachmittagen insgesamt 500 Menschen, um sich bei mittelgutem Wetter am westlichen Stadtrand von Brüssel, in Anderlecht, in einen Weiher zu stürzen. Und zwar nicht nur solche, die in den sozialen Netzwerken von dem Termin erfahren hatten, sondern "Junge und Alte, Nachbarn, Einheimische und Expats, ganz unterschiedliche Leute", sagt Steinbrück. Das ist ihm wichtig. Denn so wie sich "Pool is cool" nicht als Spaßverein versteht, sondern um politische Einflussnahme bemüht ist, will Steinbrück ein Freibad auch nicht nur für hippe Städter - sondern gerade auch für all jene Brüsseler, die es sich nicht leisten können, mal eben ans Meer zu fahren. "Ein Freibad ist auch ein demokratischer Ort: Wo sonst kommen Menschen aus allen sozialen Schichten halb nackt zusammen?"

Bei der Stadt sei das Verständnis für sein Anliegen unterschiedlich stark ausgeprägt: "Kommt drauf an, mit wem man spricht." Steinbrück muss mit sehr vielen verschiedenen Menschen sprechen, weil es "die Stadt" eigentlich gar nicht gibt: Brüssel besteht aus 19 weitgehend unabhängigen Gemeinden mit jeweils eigenen Regierungen, und dann redet immer auch noch die Hauptstadtregion mit. Aber langsam scheint sich doch etwas zu tun: Sowohl die Stadt Brüssel als auch die Hauptstadtregion haben angekündigt, den Bau eines Freibades zu prüfen.

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