Süddeutsche Zeitung

Somalische Al-Shabaab-Miliz:Wer hinter dem Angriff in Nairobi steckt

Weil kenianische Truppen in Somalia sie bekämpfen, rächt sich Al-Shabaab mit einem Angriff auf ein Einkaufszentrum in Nairobi. Wer steckt hinter der islamistischen Miliz, welche Ziele verfolgen ihre Anhänger?

Die islamistische Al-Shabaab-Miliz führt seit sieben Jahren im Bürgerkriegsland Somalia einen blutigen Kampf gegen die Regierung. Am Wochenende bekannte sich die Gruppe mit Verbindungen zum Terrornetzwerk al-Qaida zu dem blutigen Anschlag auf ein Einkaufszentrum in Kenias Hauptstadt Nairobi. Die Tat ist demnach ein Racheakt für die Beteiligung des kenianischen Militärs an der Bekämpfung der Islamisten in Somalia. Kenias Armeechef Julius Karangi sagte am Montag, bei den Tätern handle es sich um ein "multinationales" Kommando, das im Auftrag des "Weltterrorismus" agiere.

Ein Mitglied der radikalislamischen Miliz sagte in einem Interview mit dem britischen TV-Sender Channel 4 gesagt: Kenia sei jetzt Kriegsgebiet. Die Einwohner des Landes seien Feinde seiner Gruppe. Die Angriffe auf das Land und seine Bürger würden bis zum Rückzug der kenianischen Truppen aus dem Süden Somalias fortgesetzt. "Wir werden sie treffen, wo immer wir können", sagte der Mann. Westliche Staaten sollten aufhören, die Regierung in Nairobi zu unterstützen. Sonst könnten auch deren in Kenia lebende Bürger zu Anschlagszielen werden, drohte der Miliz-Kämpfer. Bei dem Anschlag auf das Westgate-Einkufszentrum sind auch etliche Ausländer ums Leben gekommen - darunter vier Briten, zwei Französinnen, zwei Kanadier und eine Niederländerin.

Auf Youtube tauchte ein Video auf, in dem ein Milizsprecher sagte, Ziel der Al-Shabaab sei es, Kenia zu einem der unsichersten Orte der Welt zu machen. "Es wird nie Frieden für euch geben, solange ihr eure Agression fortsetzt. Nairobi wird nie Frieden finden. Die Entscheidung liegt bei euch."

Bombenanschläge während der Fußball-WM 2010

Die Al-Shabaab-Miliz entstand 2006 in Somalia. Sie ging aus einer Jugendorganisation der Union islamischer Gerichte hervor, die damals die Kontrolle über Teile des Landes und die Hauptstadt Mogadischu übernommen hatte. Mit US-Unterstützung marschierten äthiopische Truppen ein, um die Islamisten von der Macht zu vertreiben. Die "Shabaab" - arabisch für "die Jungen" - stellten sich der Intervention entgegen. In der Folge kontrollierte die Al-Shabaab-Miliz große Teile Südsomalias sowie Mogadischu. Ihre Stärke wird auf mehrere tausend Kämpfer geschätzt.

Die islamistische Miliz will eine strenge Auslegung der religiösen Gesetze der Scharia durchsetzen. Während die Organisation zunächst nur in Somalia aktiv war, bekannte sie sich im Juli 2010 zu zwei Bombenanschlägen während des Endspiels der Fußball-Weltmeisterschaft mit 74 Toten in Uganda. Wie Kenia hatte Uganda Soldaten für eine fast 18.000 Mann starke Truppe der Afrikanischen Union (AU) nach Somalia entsandt. Im August 2011 wurde die Al-Shabaab-Miliz aus Mogadischu durch Regierungseinheiten mit massiver Unterstützung dieser Friedenstruppe (Amisom) vertrieben. Aktuell sind 17.000 Soldaten der Amisom aus Kenia, Uganda und Burundi in Somalia, um dem Bürgerkrieg Einhalt zu gebieten.

"Hauptbedrohung für das Überleben der neuen somalischen Regierung"

Nach und nach haben die Islamisten die Kontrolle über all ihre Bastionen im Zentrum und im Süden Somalias verloren, in vielen ländlichen Gegenden sind sie aber noch stark vertreten. In den vergangenen Monaten hat Al-Shabaab ihre Angriffe in Mogadischu wieder verstärkt. Im April starben 34 Menschen bei einem Angriff auf ein Gerichtsbebäude, im Juni stürmten ihre Kämpfer einen UN-Komplex, bei dem mindestens 18 Menschen starben. Anfang September attackierten Al-Shabaab-Kämpfer dann einen Konvoi von Somalias Präsident Hassan Sheikh Mohamud, der aber unverletzt blieb. Einige Tage später bekannten sie sich zu zwei Bombenanschlägen mit 18 Toten in Mogadischu. "Die Al-Shabaab bleiben die Hauptbedrohung für das Überleben der neuen somalischen Regierung", heißt es in einem Bericht des südafrikanischen Instituts für Sicherheitsstudien (ISS).

Ihr Ziel sei inzwischen weniger die Kontrolle über Somalia, als vielmehr "das Land unregierbar zu machen". Tatsächlich ist die Miliz im Inneren von blutigen Machtkämpfen zerrissen. Al-Shabaab-Anführer Ahmed Abdi Godane ging jüngst gegen ein Dutzend untergeordnete Kommandeure vor, die seine Autorität in Frage gestellt hatten. Hintergrund sind seit langem bestehende Spannungen über die Ziele der Bewegung: Während ein Teil der Islamisten sich als somalische "Nationalisten" sieht, betrachten sich andere als Teil eines "weltweiten heiligen Krieges", der über die Grenzen des Landes hinaus geht. Godane steht dabei laut Experten für die radikalere Dschihadisten-Linie.

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