Politik und Inszenierung:Auf der Nichtregierungsbank

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Holz gewordene Problemlösungskompetenz: Friedrich Merz und Markus Söder in schwesterparteilicher Zweisamkeit am Kirchsee. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Jetzt zeigen sich auch Söder und Merz gemeinsam sitzend. Warum bloß lassen sich Politiker und Politikerinnen so gerne auf Bänken fotografieren? Eine Stilkritik.

Von Nadeschda Scharfenberg

Warum die Regierungsbank im Bundestag Regierungsbank heißt, erschließt sich optisch nicht so ganz. Über eine banktypische Gemeinschaftssitzfläche verfügt sie nicht, eigentlich müsste sie "Regierungsbürostuhlreihe" heißen. Auch eine Nichtregierungsbank gibt es neuerdings, sie steht am Kirchsee in Oberbayern, und sie trägt ihren Namen völlig zu Recht. Auf ihrem harten Holz haben am Montag in schwesterparteilicher Zweisamkeit Platz genommen: Markus Söder und Friedrich Merz, die größten Nicht-Kanzler aller Zeiten, nach einem sogenannten Arbeitstreffen.

Ein Bild, das um die Welt ging: Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht 2015 mit dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama bei der G-7-Konferenz auf einer Wiese bei Schloss Elmau vor der Wettersteinspitze. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Kompositorisch ähnelt die Merz-Söder-Szene jener berühmten Bankbegegnung von Angela Merkel und Barack Obama am Rande des G-7-Gipfels auf Schloss Elmau vor bald sieben Jahren. Auf beiden Bildern zu sehen: eine hölzerne Sitzgelegenheit, von hinter der Lehne aus fotografiert, ringsumher raue Natur, Alpengipfel, Nadelbäume, Wolkenfetzen; dazu zwei Menschen, gestikulierend ins Gespräch vertieft. Subtext: Auf diese Bretter können Sie bauen! Man könnte die Parallelen für Zufall halten, wäre nicht Markus Söder im Bilde, der fotografisch nie etwas dem Zufall überlässt. Dass der CSU-Chef neidisch auf das Merkel-Obama-Foto ist, offenbarte sich spätestens im Herbst 2019, als er die Präsidentenpose an Ort und Stelle nachmachte und die Welt auf Twitter an seiner gefühlten Obamahafigkeit teilhaben ließ.

(Foto: dpa)

Politiker und Politikerinnen lieben das Motiv "sichere Bank". Wer dachte, die Redewendung hätte etwas mit Einlagensicherung oder gepanzerten Tresoren zu tun, der irrt angesichts all der Bilder von Regierenden und verhinderten Regierenden auf Parkbänken aller Couleur. Zum einen wären da die Paarsitzer, zu denen neben Söder und Merz zum Beispiel auch das ehemalige russische Führungstandem Putin/Medwedjew zählt (2011 gemeinsam fläzend während einer Radtour) oder das ehemalige Unionsduo Armin Laschet und Jens Spahn, die sich im Sommer auf ihrer Wahlkampftour etwas hölzern nebeneinander auf eine Rückenlehne vor Bodensee-Panorama hockten. Botschaft 1: Wir sind so dermaßen locker vom Hocker. Botschaft 2: Wir verstehen uns.

Vertrauenerweckender Einzelbänker: Robert Habeck, am Rand und doch im Mittelpunkt. (Foto: Martin Schutt/picture alliance/dpa/dpa-Zentral)

Zum anderen gibt es den Typus vertrauenerweckender Einzelbänker: Robert Habeck im Lonesome-Cowboy-Stil alleine mit seinem Handy auf einer weiß gestrichenen Holzbank oder, auf einer anderen Aufnahme, dynamisch im Liegestütz. Karl-Theodor zu Guttenberg sinnierend auf einer verschnörkelten Armlehne. Oder Hillary Clinton auf einer geschmiedeten Bank im Garten des Weißen Hauses, samt Hund und Katz.

Eine First Lady wie du und ich: Hillary Clinton im Jahr 1999 mit Katze Socks und Hund Buddy. Ihre eigene Wahl verlor sie 17 Jahre später trotzdem gegen den haustierlosen Donald Trump. (Foto: Smith Collection/Gado/Getty Images)

Präsidentengattin auf Parkbank - das könnte auch der Titel eines Gemäldes von Spitzweg oder Monet sein, in der bildenden Kunst steht die ein oder andere Sitzbank mit Dame in der Landschaft herum. In der Kunst der politischen Outdoor-Fotografie gehört das Sitzmöbel neben der Funktionsjacke längst zu den Standard-Requisiten, als Symbol für Nahbarkeit, ein Ort für klare Gedanken, Holz gewordene Problemlösungskompetenz.

Das Bild ist die Botschaft. Was die Merkels, Obamas, Söders und Merzens bei ihren mehr oder minder trauten Begegnungen tatsächlich besprochen haben, bleibt aber leider meistens: ein Bankgeheimnis.

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