Skandal um Brustimplantate aus Industrie-Silikon:TÜV muss Entschädigung an Patientinnen zahlen

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Bekommen die betroffenen Brustimplantat-Patientinnen umgehend 3000 Euro Schadensersatz vom TÜV Rheinland? Diese Frage musste ein Gericht im französischen Aix-en-Provence klären. Jetzt haben die Richter entschieden: Die Prüforganisation muss zahlen - auch wenn das endgültige Urteil noch aussteht.

Im Skandal um minderwertige Brustimplantate der französischen Firma PIP können betroffene Frauen vom TÜV Rheinland sofort Schadenersatz verlangen. Ein Berufungsgericht im südfranzösischen Aix-en-Provence hat einen Antrag des deutschen Prüfdienstleisters abgewiesen. Der TÜV Rheinland hatte gefordert, die Vollstreckung eines in erster Instanz gefallenen Urteils vorerst auszusetzen.

Das Handelsgericht der südfranzösischen Stadt Toulon hatte den TÜV Mitte November zur Zahlung von Schadenersatz in Millionenhöhe verurteilt. Der TÜV, der die Produktion des Brustimplantateherstellers PIP zertifiziert hatte, habe gegen "seine Kontroll- und Aufsichtspflichten" verstoßen, so das Gericht damals. 1700 betroffenen Patientinnen sprach das Gericht eine Schadenersatzzahlung von zunächst 3000 Euro zu, bevor die genaue Entschädigungszahlung auf Grundlage von individuellen Gutachten festgelegt wird.

Die Firma PIP hatte Hunderttausende Implantate hergestellt, die mit billigem Industrie-Silikon und nicht dem eigentlich vorgesehenen Spezialsilikon gefüllt waren. Die Kissen reißen schneller und können Entzündungen auslösen. Allein in Deutschland sind etwa 5000 Frauen betroffen.

Der TÜV will sich nun auf das eigentliche Berufungsverfahren konzentrieren

Der TÜV hatte im Auftrag des insolventen französischen Herstellers PIP dessen Unterlagen und Qualitätssicherung geprüft, nicht aber die Implantate selbst. Deshalb sieht sich die Organisation als Opfer eines Betrugs durch PIP und legte gegen die erste Entscheidung des Gerichts in Toulon umgehend Berufung ein. Dies allein hat aber mit Blick auf die Zahlung von 3000 Euro pro Patientin keine aufschiebende Wirkung. Der TÜV wollte daher vor dem Berufungsgericht in Aix-en-Provence erreichen, dass er vorerst nicht zahlen muss - bis zum Urteil in dem Berufungsprozess, dessen Datum noch nicht feststeht.

Der TÜV kündigte direkt nach der Verkündung der Entscheidung an, alle Anstrengungen nun auf das eigentliche Berufungsverfahren zu konzentrieren. Das erste Urteil sei schockierend und man werde beweisen, dass es keinerlei Regelverstöße gegeben habe, hieß es.

Mitte Dezember wurde PIP-Gründer Jean-Claude Mas in einem Strafprozess in Marseille zu vier Jahren Haft verurteilt. Er hat dagegen Berufung eingelegt. Mas wurde unter anderem schuldig gesprochen, den TÜV betrogen zu haben - ein Urteil, durch das sich der TÜV mit Blick auf die Schadenersatzforderungen gestärkt sieht.

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