Skandal bei Unicef:"Schönwetterverein im Sturm"

Erst tritt die Vorsitzende von Unicef Deutschland zurück, dann distanzieren sich prominente Vertreter von der Organisation und jetzt verliert das Kinderhilfswerk auch noch Tausende Spender.

Nach dem Rücktritt von Heide Simonis als Vorsitzende von Unicef Deutschland greift das Unicef-Komitee, das Kontrollorgan des Hilfswerks, den Vorstand massiv an, berichtet die Bild-Zeitung.

Unicef Deutschland; ddp

Neben Politikern kritisieren jetzt auch prominente Vertreter von Unicef das Kinderhilfswerk.

(Foto: Foto: ddp)

In einem zweiseitigen Beschwerdebrief des Komitees, unterschrieben von Münchens Oberbürgermeister-Gattin Edith von Welser-Ude, beklagten die Kontrolleure mangelnde Transparenz und forderten eine Sondersitzung sowie Änderungen der Satzung.

Im Bayerischen Rundfunk forderte von Welser-Ude, es müssten jetzt ganz schnell Organisationsformen verändert werden. Geschäftsführer Dietrich Garlichs habe "zu viele Vollmachten, er durfte offensichtlich schalten und walten, wie er wollte - richtig nach Gutsherren-Art".

In den Rechenschaftsberichten und Bilanzen seien umstrittene Beträge nie aufgetaucht, selbst Heide Simonis sei während ihrer Zeit als Vorsitzende von Unicef Deutschland nicht darüber informiert worden, bemängelte von Welser-Ude. "Das halte ich für einen Skandal. Das muss sofort neu geregelt werden." Dem Vorstand sei vorzuwerfen, Garlichs nicht genügend kontrolliert zu haben.

Die frühere Unicef-Geschäftsführerin Katharina Schippers forderte den Rücktritt ihres Nachfolgers Garlich und des Vorstands des Kinderhilfswerks. Der habe als Genehmigungs- und Kontrollorgan gegenüber Garlichs versagt und suche deshalb jetzt den Schulterschluss mit ihm, zitiert der Kölner Stadt-Anzeiger aus einem Brief Schippers' an die zurückgetretene Vorsitzende Simonis. Das sei "gegenüber denjenigen, die gerade wegen dieser ethischen Werte an Unicef geglaubt haben, menschenverachtend".

Unicef-Repräsentantin Sandra Völker geht

Auch Unicef-Vorstandsmitglied Rolf Seelmann-Eggebert forderte der Bild-Zeitung zufolge Konsequenzen: "Wir müssen uns Gedanken über eine Satzungsänderung machen. So ist eine Abwahl des Vorstandes laut Satzung bisher nicht möglich." Sein Fazit: "Wir waren bisher ein Schönwetterverein. Jetzt sind wir in den Sturm gekommen." Seit Beginn der Krise Anfang Dezember habe die Organisation etwa 5000 seiner insgesamt 200.000 Dauerspender verloren, sagte Unicef-Sprecherin Helga Kuhn.

Überdies prüft das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) nach einem Bericht der Stuttgarter Nachrichten inzwischen das Spendensiegel für Unicef. Diese Auszeichnung vergibt das DZI für Seriosität, um den Spendenmarkt transparent zu gestalten.

Auch bei den Prominenten, die Unicef unterstützen, wächst die Kritik. Die Fernseh-Journalistin Nina Ruge, Mitglied des Unicef-Komitees, sagte der Bild-Zeitung: "Es ist den vielen freiwilligen Helfern an der Basis nicht zu vermitteln, wenn ein ehemaliger Unicef-Mitarbeiter als Pensionär für seine Arbeit 850 Euro Honorar am Tag von Unicef kassiert." Die Schwimmerin und Unicef-Repräsentantin Sandra Völker hatte sich am Montag von der Organisation getrennt.

Auch engagierte Mitarbeiter wenden sich von der Organisation ab: Die Arbeitsgruppe Niederrhein hat sich aufgelöst. 15 der 20 Mitarbeiter seien aus tiefer Enttäuschung zurückgetreten, sagte der Leiter der Gruppe, Herbert Schröders, der Nachrichtenagentur AP. Die übrigen wechselten zu örtlichen Nachbargruppen.

"Für mich ist das Kapitel Unicef geschlossen", sagte Schröders. Laut Rheinischer Post handelt es sich um die erste Auflösung einer Arbeitsgruppe seit Bekanntwerden der Spendenvorwürfe.

"Komitee - nur schmückendes Beiwerk"

Jetzt wächst der Druck auf den Vorstand, für Ruhe zu sorgen. "Wir sind besorgt wegen des Imageschadens für Unicef", sagt die Sprecherin des Genfer Hauptquartiers der Organisation, Veronique Taveau. Sie hoffe auf eine schnelle Lösung, damit wieder ungestört gearbeitet werden könne.

Indes wird in der Politik der Ruf nach Reformen bei dem Kinderhilfswerk immer lauter. Entsprechend äußerten sich im Berliner Tagesspiegel Bundestagsabgeordnete, die das Parlament in das Unicef-Komitee entsandt hat.

Die Vertreterin der Unionsfraktion, Anke Eymer (CDU), forderte höhere Transparenz und strukturelle Veränderungen in der Zusammenarbeit von Vorstand und Komitee. Die von der Linksfraktion entsandte Monika Knoche kritisierte, dass das Komitee lediglich schmückendes Beiwerk sei, aber keine Kontrollrechte habe.

Unicef Deutschland kommt nach Vorwürfen der Verschwendung von Spendengeldern seit Wochen nicht aus den Schlagzeilen. Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt gegen Geschäftsführer Dietrich Garlichs wegen des Anfangsverdachts der Untreue. Die ehrenamtliche Vorsitzende Heide Simonis war am Wochenende wegen der Auseinandersetzungen im Vorstand der Organisation zurückgetreten.

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