Silikon-Prozess:Tragfähig

Frau mit Silikonbusen will Polizistin werden - Prozess

Die Kameras warteten umsonst auf die Klägerin: Die Sache wurde in ihrer Abwesenheit verhandelt.

(Foto: Marcel Kusch/dpa)

Ein kurioser Prozess mit ernstem Hintergrund: Eine Frau wird auch wegen ihrer Brustimplantate von der Polizei abgelehnt und klagt dagegen. Mit Erfolg.

Von Ulrich Hartmann, Gelsenkirchen

Dass die Klägerin mit den Brustimplantaten aus Silikon nicht zur Verhandlung erschien, könnte die Kameramänner diverser TV-Stationen enttäuscht haben. Gleich mehrere von ihnen waren am Mittwoch in Saal 3 des Gelsenkirchener Verwaltungsgerichts auf der Suche nach aussagekräftigen Bildern. Statt der 32-jährigen Dortmunder Krankenschwester, die zur Polizei möchte und gegen eine Ablehnung wegen ihrer Brustimplantate geklagt hatte, mussten sich die Fernsehleute dann mit banaleren Bildern zufriedengeben, etwa solchen, wie der Anwalt der Klägerin in einem Aktenordner blättert.

Für Frauen mit Brustimplantaten, die Interesse am Polizeidienst haben, gab es am Mittwoch aber gute Nachrichten: Die Klägerin Barbara G. darf trotz ihrer Implantate einen neuen Versuch unternehmen, sich bei der Polizei zu bewerben. Sie darf dann zumindest nicht wegen dieser Implantate abgelehnt werden - aus allen anderen Gründen freilich schon. Bereits 2014 hatte sie beim Einstellungstest den erforderlichen "Rangordnungswert" nicht erreicht, wäre also auch ohne Implantate nicht angenommen worden.

Barbara G. hatte sich im Oktober 2013 um Aufnahme in den gehobenen Polizeivollzugsdienst beworben, bei der Untersuchung durch den Polizeiarzt im März 2014 aber erfahren, dass ihre Silikonimplantate ein Problem darstellen. In der Polizeidienstvorschrift 300, Ziffer 10. 4. 2, steht schließlich, dass die Aufnahme in den Polizeidienst für solche Fälle zu verneinen sei, weil erhebliche Dienstausfallzeiten sowie ein vorzeitiges Dienstende drohten. Allerdings hat es in Berlin und München in jüngerer Vergangenheit Fälle gegeben, in denen Bewerberinnen mit Implantaten erfolgreich gegen ihre Ablehnung bei der Polizei vorgegangen sind. Dies veranlasste auch die Dortmunderin zu Optimismus. Die zuständige Kammer beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen wollte aber in der ersten Sitzung im Sommer 2015 aus der eigenen Einschätzung heraus kein Urteil fällen. Sie bestellte ein Gutachten bei Klaus Walgenbach, dem Leiter der Plastisch-Ästhetischen Chirurgie am Universitätsklinikum Bonn.

"Es steht zu erwarten, dass Komplikationen auftreten", sagt der Amtsarzt

Am Mittwoch nun wurde in Gelsenkirchen das Ergebnis dieses Gutachtens präsentiert. Walgenbach ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gefahr für ein Reißen der Silikonimplantate oder gesundheitliche Folgeerscheinungen im Dienst bei "neun bis 17 Prozent" liege. Diese Werte rangieren deutlich unterhalb jener 51 Prozent, die für die Ablehnung der Klage erforderlich gewesen wären, also urteilte Bernhard Fessler als Präsident des Verwaltungsgerichts: "Die Klägerin ist sowohl aktuell als auch künftig dauerhaft polizeidiensttauglich und erhält die Chance, sich neu zu bewerben." Die diesbezügliche Ziffer in der Polizeidienstvorschrift hält die Kammer für "nicht tragfähig".

Entsprechend zufrieden zeigte sich für die Klägerin der Bochumer Anwalt Sven Ollmann, obwohl doch die ursprüngliche Klage auf Anstellung seiner Mandantin in den Polizeidienst am Mittwoch zugleich abgelehnt wurde. "Wir sind trotzdem sehr zufrieden, weil das Urteil bedeutet, dass meine Mandantin trotz ihrer Brustimplantate grundsätzlich eingestellt werden kann - sie wird den Einstellungstest also noch einmal machen." Wie viel Zeit bis dahin vergeht, vermag Anwalt Ollmann allerdings nicht zu sagen, denn er rechnet fest mit einem Berufungsantrag durch das beklagte Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei (LAFP) in Nordrhein-Westfalen.

Für dieses LAFP sprachen am Mittwoch bei Gericht der Regierungsrat Jan Kieseheuer und der Leitende Regierungsmedizinaldirektor Christoph Pahlke. Kieseheuer bezifferte die Wahrscheinlichkeit von Folgeeingriffen bei einer Brustimplantatträgerin während der Dienstzeit auf "bis zu 50 Prozent". Pahlke ergänzte: "Es steht zu erwarten, dass Komplikationen auftreten." In Nordrhein-Westfalen sind zwar schon mehrere Polizeidienstbewerberinnen mit Brustimplantaten abgelehnt worden, zu einem Prozess aber ist es dort vor der Auseinandersetzung mit Barbara G. noch nie gekommen.

Gut möglich also, dass Barbara G. noch zu einer Art Pionierin wird: Sollte das Urteil bestehen bleiben, hat es wohl wegweisenden Charakter.

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