Sigmaringen:Innenminister verkündet geheimen Polizeieinsatz

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Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sitzen im Landtag in Stuttgart. (Foto: Sina Schuldt/dpa)
  • In Sigmaringen wird eine kleine Gruppe Asylbewerber wiederholt auffällig.
  • Verdeckte Ermittler sollen deshalb in der schwäbischen Kleinstadt patroullieren.
  • Baden-Württembergs Innenminister Strobl (CDU) macht den geheimen Einsatz öffentlich und erntet heftige Kritik von Polizeigewerkschaft und Landespolitik.

Von verdeckten Ermittlungen bekommt die Öffentlichkeit im Normalfall nichts mit. Die Beamten agieren inkognito und sollen möglichst nicht auffallen. Thomas Strobl scheint das etwas anders zu sehen. Baden-Württembergs Innenminister verkündete öffentlich, dass er acht verdeckte Ermittler nach Sigmaringen schicken werde.

Das bringt ihm heftige Kritik ein - und wirft die inzwischen landesweit beachtete Frage auf, warum eine schwäbische Kleinstadt Unterstützung durch Undercover-Beamte nötig hat.

Sigmaringens Bürgermeister Thomas Schärer (CDU) hatte im Februar Brandbriefe an Strobl und Bundesinnenminister Thomas de Mazière geschrieben und eine "konsequente Sanktionierung von auffälligen Asylbewerbern" gefordert. In Sigmaringen leben knapp 400 Flüchtlinge in einer Erstaufnahmestelle des Landes. Eine kleine Gruppe von ihnen soll immer wieder Delikte und Straftaten begangen haben. Ladenbesitzer klagten über Diebstähle, rund um den Bahnhof seien Passanten angepöbelt worden. Bürger hätten kein Verständnis, dass Täter "kaum Sanktionen befürchten" müssten, schrieb Schärer und forderte Unterstützung von Land und Bund.

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Sein Parteikollege Strobl reagierte und teilte am Freitag mit, dass mit Beginn des Frühjahrs verdeckte Kräfte des Landeskriminalamtes in Sigmaringen patroullieren würden. Eine bereits existierende Einsatzgruppe mit acht Beamten werde dauerhaft abgestellt. Ausländische Täter, die mehrfach auffallen, sollen dem " Sonderstab gefährliche Ausländer" im Innenministerium gemeldet werden. Ihnen droht die Abschiebung.

Strobl gefährde die Sicherheit der verdeckten Ermittler

Die Ankündigung wiederum empört die Deutsche Polizeigewerkschaft (DpolG). "Verdeckte polizeiliche Maßnahmen in der Presse anzukündigen, führt dazu, dass die Kollegen erheblichen Gefahren ausgesetzt sind", sagte der Landesvorsitzende der DPolG, Ralf Kusterer. Er sei in Sorge um die Sicherheit der Beamten. Die geheime Operation müsse sofort abgebrochen werden.

Kusterer spricht von verärgerten Kollegen, die ihn am Freitagabend bis Mitternacht angerufen hätten. Einige hätten vorgeschlagen, an der Polizeiuniform doch gleich den Schriftzug "Undercover Agent" anzubringen. "Wo leben wir denn? Vielleicht senden wir den Medien auch gleich noch die Bilder unserer verdeckten Ermittler", sagte Kusterer. "Diese Informationspolitik ist unterirdisch."

Das Innenministerium rechtfertigte das Vorgehen seines Chefs. Die Ankündigung habe auch einen abschreckenden Charakter, sagte eine Sprecherin. Der Schutz und die Sicherheit der Beamten hätten höchste Priorität.

Politiker hinterfragen Sinn und Zweck des Einsatzes

Während die DpolG nur kritisiert, dass die verdeckten Ermittlungen öffentlich wurden, halten Landespolitiker den Einsatz per se für verfehlt. "Die vorhandenen polizeilichen Maßnahmen reichen aus", sagte Uli Sckerl, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, die in Baden-Württemberg gemeinsam mit der CDU regiert. Die Lage in Sigmaringen mit verdeckten Ermittlern lösen zu wollen, scheine weit übertrieben. Verdeckte Ermittler kämen nur in Ausnahmefällen zum Einsatz, etwa um schwere Straftaten zu verhindern. Um die Lage in Sigmaringen zu beruhigen, müsstenalle Beteiligten vor Ort eingebunden würden: Bürger, Interessengemeinschaften, Polizei und Politiker über Parteigrenzen hinweg.

Kritik kommt auch aus der Opposition: SPD-Fraktionsvize Sascha Binder sieht das ähnlich. Strobl gefährde seine eigene Polizei und falle ihr in den Rücken. Der Minister sei immer mehr als Selbstdarsteller unterwegs. Binder will den Sachverhalt kommenden Woche im Innenausschusses klären lassen. Der Vorfall müsse umfassend aufgeklärt werden und dürfe nicht ohne Konsequenzen bleiben.

Auch FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke hat kein Verständnis für das Vorgehen Strobls. Dem Innenminister gehe es "offensichtlich nicht um den polizeilichen Erfolg und den Schutz der Bevölkerung, sondern um seine Profilierung in den Medien", sagte Rülke. Dieser Geheimnisverrat auf höchster Ebene verlange eine parlamentarische Befassung und lasse einmal mehr daran zweifeln, dass Strobl der richtige Mann für das Amt des Innenministers sei.

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