Prozess um Hass im Netz:Wo ist Willi?

Lesezeit: 2 min

Hier hätte der Zeuge an diesem Montag erscheinen sollen. (Foto: Tobias Steinmauerer/imago images)

Jedenfalls nicht im Wiener Straflandesgericht, wo er im Streit zwischen der Politikerin Sigi Maurer und dem "Bierwirt" für Klarheit hätte sorgen können. Eine Posse mit ernstem Hintergrund.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Eigentlich hätte am Montag ein gewisser Willi in Saal 106 des Wiener Straflandesgerichts auftauchen sollen. Willi hätte seinen Freund, den "Bierwirt", entlasten sollen. Der nämlich, so glaubte - und glaubt es - die Fraktionsvorsitzende der Grünen im österreichischen Parlament, Sigi Maurer, hatte ihr im Mai 2018 obszöne Nachrichten via Facebook geschickt. Sie veröffentlichte daraufhin die Nachrichten und den Namen des Mannes. Der Bierwirt, Betreiber eines kleinen Craftbeer-Shops im 8. Bezirk, dementierte - und dementiert bis heute. Nicht er, sondern der Willi habe die Nachrichten vom Computer in seinem Laden geschickt, während er gerade nicht hinschaute. Und überhaupt müsse Maurer beweisen, dass er, der Bierwirt, Urheber der Nachrichten war, alles andere sei üble Nachrede. Der Bierwirt klagte, in erster Instanz wurde Maurer verurteilt, das Urteil wurde "wegen mangelnder Lebensnähe" aufgehoben. Nun hätte Willi alles klarstellen können. Aber er kam nicht.

Willi war auch nicht zu Hause, obwohl er sich krankgemeldet hatte. Eine "Nachschau" der Polizei, wie es in schönstem Behördenösterreichisch heißt, erbrachte nichts, wenngleich im Lockdown ein Zeuge, der die Chance hätte, ein Strafverfahren mit einer Klarstellung und einem Schuldeingeständnis zu beenden, vielleicht besser das Bett gehütet hätte, wenn er sich schon bei Gericht wegen Krankheit entschuldigen lässt. Aber mittlerweile will es scheinen, als solle dieser Prozess nie zu Ende gehen. Als hätten sich der Bierwirt, der Willi und sogar die Justiz gegen Maurer verbündet, um das Verfahren in die Unendlichkeit zu verschleppen. Da Willi nicht aufzufinden war, sah sich das Gericht gezwungen, erneut einen Termin anzusetzen. Ob Willi dann wohl kommt?

Hat an einer Gesetzesänderung mitgewirkt, mit der sich Opfer von Hassnachrichten im Netz leichter wehren können: Grünenpolitikerin Sigi Maurer. (Foto: Imago Images/Skata)

Mehr und mehr klingt die verfahrene Causa wie eine Posse, die nichts als unnötige Kosten verursacht, und mit der Frage, ob das Wort "Arschloch", das die Politikerin gegenüber Dritten über den Bierwirt geäußert hatte, eine "gerechtfertigte" oder aber "ungerechtfertigte" Entrüstung sei, vielleicht am besten charakterisiert ist. Und doch steht der Fall für weit mehr - das zeigt auch eine Gesetzesänderung zu "Hass im Netz", an der Maurer mitgewirkt hatte. Nachdem Maurer die zutiefst sexistischen Postings vom Account des Betreibers des Craftbeer-Shops bekommen hatte, wollte sie sich wehren. Kurz darauf stand sie jedoch als Beschuldigte vor Gericht, nicht als Klägerin.

Die damalige Rechtslage hatte dazu geführt: Nicht der Absender der Hassmails konnte belangt werden, wohl aber Maurer, weil sie seinen Namen genannt hatte. Mit der neuen Gesetzeslage, die erst Ende 2020 beschlossen wurde, hätte ihr Fall wohl anders ausgesehen: Künftig könne, so Maurer, "ein Eilverfahren beim Bezirksgericht beantragt werden, wenn Nachrichten die Menschenwürde verletzen". Wer entsprechende Screenshots vorweise, könne binnen weniger Tage eine Unterlassung erwirken - ohne Anwaltspflicht. So werde niederschwellig garantiert, dass Hassbotschaften im Netz schnell entfernt würden. In ihrem Fall, hatte ihr der Richter in der ersten Instanz noch geraten, bei Hassnachrichten vorsichtig "nachzufragen, ob der Absender tatsächlich der Account-Inhaber sei".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Sigi Maurer über Hasskommentare
:"In Österreich geht es verrohter zu"

Verbalattacken seien in ihrer Heimat oft drastischer als in Deutschland, sagt Sigi Maurer. Die Wiener Grünen-Politikerin hat dazu einen Prozess hinter sich - und erklärt, wieso sie im Internet belästigten Frauen abrät, Täter offen anzuprangern.

Interview von Oliver Das Gupta, Wien

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: