Süddeutsche Zeitung

Siegburger Foltermordprozess:Der Mensch, ein Monster?

Die Balance zwischen Recht und Empörung: Trotz der grauenhaften Tat von Siegburg hat das Gericht im Revisionsprozess maßgehalten - und die Prüfung einer Sicherungsverwahrung verfügt.

Heribert Prantl

Es gibt Straftaten, die so grauenvoll sind, dass es selbst dem graut, dessen Beruf es ist, mit Verbrechern umzugehen. Der Vollzugsbeamte, der Sozialarbeiter, der Gefängnispsychologe studiert die Strafakte des verurteilten Täters, er sieht die Bilder des Opfers - und ist dann einige Zeit nicht in der Lage, dem Häftling guten Morgen zu sagen. Er will ihn nicht sehen, er kann ihn nicht sehen, er will ihm erst einmal, weil es ihn innerlich schüttelt, die Hand nicht schütteln. Und dann beginnt, trotzdem, die schwere Arbeit, die Resozialisierung heißt.

Diejenigen, die diese Arbeit leisten müssen, die jeden Tag umgehen mit Straftätern - sie sind zurückhaltender mit dem Verdikt "wegsperren für immer", als es die vielen Gerhard Schröders draußen sind. Darf man einen Menschen als "Monster" abstempeln? Darf man ihn für immer abschreiben, darf man ihn also für völlig untherapierbar, unsozialisierbar, für absolut unbelehrbar halten? Darf man ihm jedwede, auch die winzige Hoffnung nehmen, vielleicht doch noch irgendwann in Freiheit zu kommen?

Bei jungen Tätern stellt sich die Frage besonders scharf. Der Initiator der Gräueltaten in der Zelle von Siegburg war zur Tatzeit 19 Jahre alt. Er hat zusammen mit anderen Gefangenen einen Mithäftling zu Tode gefoltert. Es gibt keinen Zweifel daran, dass es sich um eine extreme Gewalttat gehandelt hat, die eine Höchststrafe verdient.

Muß man aber neben der Strafe auch gleich und unbedingt Sicherungsverwahrung verhängen, um so von vornherein sicherzustellen, dass er möglichst nie mehr das Gefängnis verlassen kann? Darf man einem heute 21-Jährigen attestieren, dass er sich nie mehr ändern wird? Das Gericht hat das nicht getan. Es hat sich den Ausspruch einer Sicherungsverwahrung für später vorbehalten.

Sicherungsverwahrung ist Haft nach Ende der Strafzeit; aufgrund einer Gefährlichkeitsprognose bleibt der Häftling dort, wo er ist, auch wenn er die Strafe abgesessen hat. Eine solche Sicherungsverwahrung nimmt dem Täter jede Hoffnung. Auch deshalb sind die Spezialisten des Strafvollzugs sehr zurückhaltend beim Ruf nach dieser Sicherungsverwahrung, viel zurückhaltender als es Politiker sind.

Die Sicherungsverwahrung, die vor einiger Zeit noch ein "Mauerblümchen" war (so Ex-Verfassungsrichter Hassemer) ist "zu einem Liebling der öffentlichen Meinung herangewachsen".

Indes: Straftäter, die keinerlei Hoffnung mehr haben, sind unzugängliche Straftäter, sie haben nichts mehr zu verlieren; sie sind gefährlicher als alle anderen Häflinge. Das ist nicht unbedingt ein ethisches, aber ein vollzugspraktisches Argument. Es läuft darauf hinaus, auch in extremen Fällen Sicherungsverwahrung nur "unter Vorbehalt" zu verhängen, sie also davon abhängig zu machen, wie sich der Straftäter im Lauf der Haftjahre verhält.

Das Gesetz gibt mittlerweile die Möglichkeit, Sicherungsverwahrung nachträglich zu verhängen; die Prognose, ob der Täter so gefährlich ist, dass er möglichst nicht mehr in die Freiheit darf, muss also nicht mehr unbedingt schon im Urteil getroffen werden. Wenn sich die Anhaltspunkte für besondere Gefährlichkeit im Lauf der Haft ergeben, besteht also die Möglichkeit, den Täter immer in Haft zu behalten. Auf diese Möglichkeit hat das Gericht im Siegburger Foltermordprozess verwiesen. Das ist angemessen und ausreichend.

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