Süddeutsche Zeitung

Sicherheitskonzept für Berliner Bäder:Randale an der Rutsche

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60 Polizisten räumten kürzlich ein Freibad in Pankow, weil dort etwa gleichviele junge Männer pöbelten. Nun beraten Berliner Politiker, den Einlass stärker zu kontrollieren.

Von Judith Liere, Berlin

Freibad. Sobald man dieses Wort hört, erinnert man sich: an den Geruch von Sonnencreme und Pommes, an die Geräuschkulisse aus Kreischen und Bauchplatschern und an das Gefühl von Sonne auf dem nassen Rücken. Das Freibad ist der Sehnsuchtsort der Kindheit und vor allem der frühen Jugend. Solange man noch zu jung ist, um in Bars und Clubs zu gehen, findet dort all das statt, was sich später einmal ins Nachtleben verlagern wird: das Posieren und das Imponiergehabe, das Abchecken, das Reizen und Provozieren, die Mutproben und Selbstüberschätzungen.

Wenn diese Mischung in der Sommerhitze überkocht, dann eskaliert die Situation, so wie am Freitagabend im Sommerbad in Berlin-Pankow. Als der Bademeister den Sprungturm und die Wasserrutsche wegen Überfüllung schließen wollte, wurde er von einer Gruppe von etwa 50 jungen Männern bedrängt und bepöbelt. Die Schwimmbadleitung rief die Polizei, die mit 60 Beamten anrückte und das gesamte Bad schließlich räumte. Bereits eine Woche zuvor war die Polizei dort im Einsatz gewesen, weil es am Eingang des Schwimmbads wegen Überfüllung zu Tumulten gekommen war.

Die Berliner Bäder-Betriebe zogen Konsequenzen aus dem jüngsten Vorfall. Am Samstag und Sonntag war "Familientag" im Pankower Sommerbad, das bedeutete: Kinder und Erwachsene kamen nur noch zusammen hinein. Formal mussten also sowohl 13-jährige Mädchen als auch 40-jährige Frauen ohne Nachwuchs draußen bleiben, auch 70-jährige Bahnenschwimmer mit Badekappe hätten eigentlich nicht hinein gedurft. So streng sei man am Eingang aber nicht gewesen, sagte Matthias Oloew, Sprecher der Berliner Bäder-Betriebe, der SZ. "Das Rentner-Ehepaar kam trotzdem rein. Und die Berliner sind ja auch kreativ, da haben sich einige am Eingang spontan zu Familien zusammengeschlossen."

"Klientel, bekannt für ihren juvenilen Überschwang"

Offenbar scheute man sich davor, statt der hübsch klingenden offiziellen Ansage "Familientag" ein Schild neben die Kasse zu hängen, auf dem das steht, was die Aktion laut Oloew eigentlich bewirken sollte: "Es werden vor allem Gruppen von testosteronüberschwemmten Jungmännern nicht hineingelassen."

Nun wird sich das Abgeordnetenhaus damit beschäftigen, ob für Berliner Freibäder an heißen Wochenenden in Zukunft tatsächlich eine ähnlich strenge Türstehermentalität herrschen soll wie in so manchem angesagten Berliner Club. "Die Vorfälle werden Thema im nächsten Sportausschuss sein", sagte Ausschuss-Mitglied Peter Trapp (CDU) der Berliner Morgenpost. Statt pauschal auszuschließen, müsste individuell entschieden werden, wer ins Bad dürfe und wer nicht.

Auch Bäder-Sprecher Oloew kann sich bessere Vorgehensweisen vorstellen als den Familientag, um Konflikte zu vermeiden. Der sei "ein Testballon" gewesen, den man nun auswerten müsse. "Das war ein Wechsel in der hausinternen Politik, ja. Volksbäder sollen für alle da sein. Aber vielleicht muss man das Volksbadwesen auch schützen", sagte Oloew. "Die 5000 Gäste, die sich benehmen, muss man schützen vor den 50, die es nicht können." Dazu könne auch gehören, dass das Einlasspersonal "die Klientel, die schon bekannt ist für ihren juvenilen Überschwang" wieder nach Hause schicke.

Als mögliche Alternative zu Einlasskontrollen setzen die Berliner Bäder-Betriebe auch auf den Einsatz von Konfliktlotsen. "Da sind geschulte Kiez-Jugendliche mit Erwachsenen im Einsatz", sagte der Sprecher. In anderen Bädern habe sich das bewährt. Im Kreuzberger Prinzenbad vertraue man außerdem auf langjährige und erfahrene Bademeister. "Da sind einige dabei, die die Jungs seit dem Säuglingsalter kennen", meint Oloew. "Das verschafft Respekt."

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SZ vom 06.08.2013
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