Süddeutsche Zeitung

Sicherheitskampagne:"Sie fuhren gerne sportlich"

Jedes Jahr sterben 5000 Menschen bei Verkehrsunfällen. Jetzt hat das Bundesverkehrsministerium eine provokante Kampagne lanciert - mit falschen Todesanzeigen.

Carolin Gasteiger

Auf dem Foto ist ein ein junges Pärchen zu sehen. Jan und Lisa lachen glücklich in die Kamera. Daneben ein schwarzes Kreuz. Und der Satz "Zu schnell in die Kurve". Da muss man erst mal schlucken. Aber was auf den ersten Blick wie eine tragische Todesanzeige anmutet, ist Teil einer neuen Verkehrskampagne. Titel: "Runter vom Gas."

Zu schnelles Fahren ist in Deutschland nach wie vor Unfallursache Nummer eins. Jeden Tag sterben in Deutschland 14 Menschen im Straßenverkehr. Man hat Bilder im Kopf von Dränglern auf der Autobahn und Motorradfahrern, die sich bei aufheulendem Motorengeräusch so tief in die Kurve legen, dass ihre Knie den Asphalt berühren. Viel zu oft müssen sie ihre Raserei mit dem Leben bezahlen. Das Bundesverkehrsministerium will zusammen mit dem Verkehrssicherheitsrat die Zahl der Verkehrstoten bis 2010 halbieren.

Neben jungen Familien und fröhlichen Teenagern auf Schnappschüssen, wie man sie aus Passbildautomaten kennt, stehen Slogans wie "Ralf, Alex, Lea und Felix L. - Zu schnell auf nasser Fahrbahn" oder "Martin, Tim und Lukas - Fuhren gerne sportlich". Mit diesen alltäglichen Erfahrungen, die jeder schon mal gemacht hat, will die Kampagne besonders junge Menschen und Motorradfahrer erreichen.

Im zugehörigen TV-Spot klingelt das Telefon, niemand ist zu Hause. Die Kamera schwenkt durchs Wohnzimmer und bleibt auf einem Familienfoto hängen. Während die Ansage des Anrufbeantworters mit den munteren Stimmen von "Thomas, Andrea, Laura und Lukas" läuft, klirren plötzlich Scheiben, Bremsen quietschen, es kracht. Dann zerspringt der Bilderrahmen. Am Ende: "Nachrichten bitte nach dem Pieeep."

Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sagte bei der Vorstellung der Kampagne in Berlin: "Wir wollen eine prägende und nachhaltige Wirkung erzielen und das Leid anfassbar und begreifbar machen". Drastisch, schockierend und ein klarer Appell an die Angst: Das ist das Motto der Kampagne. Auch wenn Werbefachleute die Wirkung derart provozierender Messages anzweifeln: Deutlicher kann man nicht vor Verkehrsunfällen durch zu schnelles Fahren warnen. Neben der Sicherheitskampagne setzt sich Tiefensee für höhere Bußgelder für Raser und eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 Stundenkilometern auf deutschen Autobahnen ein.

Deutschland ist dabei nicht das erste Land, das auf so drastische Art an Raser appelliert: Seit Jahren stehen in Frankreich schwarze Männchen am Straßenrand - für jeden Verkehrstoten eine. Manchmal fährt man an vier oder fünf Figuren nebeneinander vorbei. Auch die Modeindustrie verwendet gern provokante Werbemotive, um Aufsehen zu erregen - man denke nur an die HIV-Kampagne von Benetton.

Nichts anderes passiert bei "Runter vom Gas". Nur, dass die Aufmerksamkeit hier keinem kommerziellen, sondern einem rein gesundheitlichen Zweck dient.

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