Sgarbi-Prozess: Das Urteil:Der Gigolo hat Grund zum Lächeln

Er suchte keine Liebe, sondern Cash: Helg Sgarbi, Gigolo und Erpresser von Deutschlands reichster Frau, ist in einem Blitzprozess verurteilt worden. Aber wo sind die erpressten Millionen?

Beate Wild

Mit einem Lächeln auf den Lippen nahm Helg Sgarbi das Urteil entgegen. Sechs Jahre muss der Gigolo ins Gefängnis, entschied das Landgericht München I am Montag - wegen Betrugs in vier Fällen und versuchter Erpressung.

Sgarbi-Prozess: Das Urteil, Getty

Helg Sgarbi kurz vor der Urteilsverkündung im Münchner Landgericht: Das Urteil gegen den Erpresser von Susanne Klatten ist gleich am ersten Prozesstag gefallen.

(Foto: Foto: Getty)

Der Mann, der auf der Anklagebank saß, suchte keine Liebe, sondern Bargeld. Sgarbi tischte vier Frauen Lügengeschichten auf und erleichterte sie so um insgesamt 9,4 Millionen Euro. Sein prominentestes Opfer war die Münchner Milliardärin und BMW-Großaktionärin Susanne Klatten, die mit einer Anzeige die Sache ins Rollen brachte.

Mit sechs Jahren Haftstrafe ist Sgarbi nach Ansicht der Staatsanwaltschaft vergleichsweise glimpflich davongekommen. "Der Angeklagte kann sehr zufrieden sein, das ist eine Strafe im untersten Bereich", sagte Anton Winkler, der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Sgarbis Verteidiger Egon Geis zeigte sich hochzufrieden mit dem Strafmaß. "Ich hab fünf Jahre gefordert, jetzt hat er sechs bekommen. Das ist doch nicht schlecht."

Am Montag ging vor Gericht alles Schlag auf Schlag: Kurz nach Prozessbeginn legte der Angeklagte über seinen Verteidiger ein umfassendes Geständnis ab, wenig später kamen die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Nach der Mittagspause schon sprach das Gericht das Urteil in dem Prozess, der ursprünglich für vier Tage angesetzt war.

Ein Schönling ist der Mann nicht, der die Milliardärin und BMW-Aktionärin Susanne Klatten sowie andere wohlhabende Frauen verführt, betrogen und erpresst hat. Doch der 44-jährige Schweizer wirkt selbstbewusst. Mit einem Lächeln, aufrecht und elegant im dunklen Dreiteiler gekleidet, stellt er sich zu Beginn des Prozesses dem Blitzlichtgewitter der Fotografen. Später gibt er einem italienischen Journalisten ein Interview und plaudert betont locker und vergnügt mit Fernsehteams.

Was Sgarbi ausstrahlt, ist eine Mischung aus sanftem, wachem Beobachten seines Gegenübers und Selbstsicherheit. Es ist wohl diese Ausstrahlung, mit der es ihm gelang, wohlhabende Frauen zu verführen und auszunehmen, obwohl sie selbst sein Verhalten und die Geschichten, die er ihnen auftischte, teilweise bizarr fanden.

Die Milliardärin Susanne Klatten hatte der 44-Jährige im Juli 2007 im teuren Wellness-Hotel "Lanserhof" in Tirol kennengelernt. Monate später kam es zu intimen Beziehungen. Und irgendwann gaukelte der Schweizer vor, er habe in den USA einen Verkehrsunfall verschuldet, bei dem ein Kind verletzt worden sei - und müsse mit Geld einen drohenden Prozess abwenden. Susanne Klatten zahlte nach einigem Zögern - als Darlehen.

Auf Seite 2: Was der Staatsanwalt von Sgarbis Geständnis hält.

Der Gigolo hat Grund zum Lächeln

Später forderte Sgarbi dann für seinen Lebensunterhalt die vollschlanke Summe von 290 Millionen Euro. Klatten weigerte sich, beendete die Beziehung und wurde dann mit Sexvideos erpresst. Da entschloss sich die sonst so öffentlichkeitsscheue Unternehmerin, Anzeige zu erstatten. Am 14. Januar 2008 wurde Sgarbi in Tirol festgenommen und saß seither in Untersuchungshaft.

Bei seinen anderen drei Opfern ging Sgarbi ähnlich vor. Auch ihnen tischte er die Geschichte mit dem Unfall auf - in verschiedenen Varianten: Mal musste er angeblich Schadenersatzforderungen begleichen, um eine Haftstrafe zu verhindern. Mal gab er an, er werde von der Mafia erpresst.

Staatsanwaltschaft denkt über Revision nach

Staatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch, der in seinem Plädoyer neun Jahre Haft für Sgarbi gefordert hatte, zeigt sich etwas enttäuscht vom Ausgang der Verhandlung. Der 44-jährige Schweizer habe zwar die Taten umfassend gestanden, allerdings habe er den Verbleib der noch fehlenden Millionen Euro und der Videos von den intimen Treffen mit den Frauen offengelassen.

Außerdem habe er sich nicht zu seiner Beziehung zu dem italienischen Sekten-Guru Ernano Barretta geäußert, bei dem der Staatsanwalt das noch fehlende Geld in Höhe von ungefähr sechs Millionen Euro vermutet. Dem Mann wird in Italien der Prozess gemacht.

Steinkraus-Koch deutete das Geständnis Sgarbis als "Zweckgeständnis": Sgarbi habe "Ross und Reiter" nicht genannt und sich weder zum Verbleib des Geldes oder der Videos, mit denen er Klatten und eine weitere Frau erpressen wollte, geäußert, noch mögliche Mittäter genannt.

"Immerhin hat uns der Angeklagte heute eine ausgedehnte Beweisaufnahme erspart", sagt der Staatsanwalt. Sgarbi hatte, seitdem er seit Anfang des vergangenen Jahre in Untersuchungshaft sitzt, konsequent geschwiegen.

Verteidiger Geis findet indes nicht, dass sein Mandant sich eines besonders schweren Vergehens schuldig gemacht habe. "Ruiniert hat Frau Klatten die Geschichte nicht", meint der gestandene Jurist: "Sie hat überhaupt keinen Schaden erlitten, sogar die Ehe ist noch intakt."

Die Staatsanwaltschaft sieht das wiederum anders. "Frau Klatten hat sehr wohl Schaden genommen", sagte Sprecher Winkler. Außerdem sei sie so mutig gewesen, zur Polizei zu gehen und Sgarbi das Handwerk zu legen. Ob der Fall in Revision geht, will die Staatsanwaltschaft nun in Ruhe überlegen.

Eine Woche hat sie dafür Zeit.

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