Sexskandal beim Secret Service:Fluch der Karibik

"Ich bin böse", erklärte Barack Obama, nachdem bekannt wurde, dass sich einige seiner Leibwächter im kolumbianischen Hotel Caribe mit Prostituierten vergnügt hatten - und diese auch noch um den vereinbarten Lohn prellen wollten. Auch die Amerikaner empören sich über das Treiben einiger Secret-Service-Mitarbeiter. Ist gar die Sicherheit des Präsidenten in Gefahr?

Christian Wernicke, Washington

Die Herren schienen Freier zu sein wie viele andere. Einsame Amerikaner auf Reisen, die üblichen Kunden eben. Als "sehr diskret" erinnert eine Prostituierte jene Gringos, die sie im "Pleyclub", einer Nachtbar im kolumbianischen Cartagena, an den Tisch gebeten hatten. Man lachte, schäkerte und trank zwei Flaschen Wodka leer, ehe die Männer die Frauen baten, doch mitzukommen auf ihre Zimmer drüben im Luxushotel "Caribe".

U.S. President Barack Obama walks to greet well-wishers, with Secret Service agents at his side, upon his arrival in Tampa, Florida

Die Herren in den dunklen Anzügen mit Sonnenbrille haben ein Imageproblem: In Kolumbien vergnügten sich Mitarbeiter des Secret Service mit Prostituierten - und weigerten sich dann, die Damen wie vereinbart zu entlohnen.

(Foto: Reuters)

Das böse Erwachen begann am frühen Morgen, als ein Amerikaner sich weigerte, den vereinbarten Preis zu zahlen. Es gab Krach auf dem Hotelflur, die herbeigeeilte Polizei informierte die US-Botschaft - und nun empört sich halb Amerika darüber, was elf Mitarbeiter von Amerikas Secret Service, dem elitären Personenschutz des amerikanischen Präsidenten, so getrieben haben nach Feierabend als Leibwächter.

Barack Obama hatte seine Empörung über das Benehmen der Bodyguards noch in Kolumbien zu Protokoll gegeben. "Ich bin böse", erklärte der Präsident am Rande des Amerika-Gipfels, der zumindest in der Wahrnehmung prüder Amerikaner ganz im Schatten des Sex-Skandals stand. Die von Obama angeordnete Untersuchung läuft noch.

"Offenbar haben sie sich gelangweilt"

Aber fest steht inzwischen, dass elf Mitglieder des Secret Service, darunter Hundeführer wie Sprengstoffspezialisten, sowie zehn mitreisende Soldaten sich Liebesdienste kolumbianischer Huren erkauften. Mindestens drei Personenschützer, darunter zwei altgediente Vorgesetzte, müssen ihren Dienst quittieren. Prostitution ist in den Vereinigten Staaten, anders als in Kolumbien, generell gesetzlich geächtet.

Die Männer waren drei Tage früher als ihr Präsident nach Cartagena gereist, um die Sicherheitslage zu klären. "Es gab nicht viel zu tun, offenbar haben sie sich gelangweilt", erklärte ein Geheimdienstler, der an der Aufarbeitung der Nacht vom 11. auf den 12. April beteiligt ist.

Dabei scheint derzeit die New York Times die Nase vorn zu haben. Die Zeitung schildert in ihrer Donnerstagsausgabe ausführlich, wie eine der Frauen die fragliche Nacht erlebte. Nach dem Trinkgelage in der Nachtbar, so die Version der 24-jährigen Mutter eines Kindes, habe der Amerikaner sie bedrängt, die Nacht auf seinem Hotelzimmer zu verleben. Als Preis habe sie dafür 800 Dollar verlangt - und auf dem Weg ins "Caribe" noch schnell Kondome gekauft.

Umgeschlagen sei die Stimmung morgens um halb sieben. Entsprechend der Hausregeln im Edelhotel hatte die Rezeption das Paar telefonisch geweckt, weil die (akkurat registrierte) Prostituierte die Räumlichkeiten verlassen sollte, ehe andere Gäste etwa zum Frühstück gehen. "Wo ist mein Bargeld, Honey?", will sie gefragt haben. Da mochte der verkaterte Amerikaner sich plötzlich nicht mehr an den vereinbarten Liebeslohn erinnern, statt 800 Dollar wollte er nur 50.000 kolumbianische Pesos zahlen - umgerechnet etwa 30 Dollar.

Die Sache war nicht mehr geheim zu halten

Der Streit eskalierte, der Freier warf die Frau aus dem Zimmer. Doch die gab nicht auf. In der Lobby hatte sie eine Kollegin getroffen, und gemeinsam hämmerten beide Minuten später gegen die Zimmertür und verlangten ihr Geld. Ein Geheimdienstkollege eilte aus dem Nebenzimmer herbei, bat verzweifelt um weniger Aufsehen. Die Frauen hätten beinahe nachgegeben, als ihnen zwei kolumbianische Polizisten zu Hilfe kamen.

Laut New York Times kam es dann einer Art Showdown. Kolumbianische Huren, eskortiert von Polizei und vom Sicherheitspersonal des Hotels, verlangten Einlass in das Zimmer des nachtaktiven US-Leibwächters. Vor dessen Tür hatten sich mittlerweile zwei Bodyguards aufgebaut. Am Ende einigte man sich: Die Frau begnüge sich mit 250 Dollar. Eine so kollegiale wie eilige Sammlung von Dollar- und Peso-Scheinen auf dem Hotelflur erbrachte 225 Dollar. Die Frauen zogen von dannen - aber weil kolumbianische Sicherheitskräfte ihre US-Kollegen über den Vorfall informierten, war die Sache nicht mehr geheim zu halten.

Übliche Eskapaden?

Im US-Kongress häufen sich bereits Fragen (meist konservativer) Abgeordneter, ob das Treiben der Leibwächter etwa die Sicherheit des Präsidenten gefährdet habe. Und ob solcherlei Eskapaden üblich seien, auf den im Schnitt 400 internationalen Reisen jährlich, bei denen Personenschützer des Secret Service hochrangige US-Politiker begleiten. Sicherheitsexperten warnen, der Skandal könne die Schutzkraft der Bodyguards schwächen - und dies in einem Wahljahr, da der Präsident "besonders exponiert sei".

Angst hat auch die anonyme Prostituierte in Cartagena. Sie hat erst am Tag danach erfahren, welch sensitives Amt ihren ruppigen Kunde nach Kolumbien gebracht hatte. Nun bangt sie um ihr Leben: "Das ist eine Riesensache, das ist die Regierung der Vereinigten Staaten", sagt sie und fügt hinzu: "Meine Nerven liegen blank, ich weine die ganze Zeit."

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