Auf ihre Verurteilung im Prozess um die Ermordung der britischen Studentin Meredith Kercher haben die beiden Angeklagten mit Verzweiflung reagiert. 25 Jahre Haft für Raffaele Sollecito, 26 Jahre für Amanda Knox, so das Urteil des Geschworenengerichts in Perugia, das Gerichtspräsident Giancarlo Massei am Samstag acht Minuten nach Mitternacht verkündete. "Keiner glaubt mir", so wird Amanda Knox nach einer im Gefängnis Capanna durchweinten Nacht zitiert. Ihr Ex-Freund Raffaele Sollecito sagte: "Ich fühle mich wie in einem höllischen Albtraum."

Die beiden hatten in dem fast elf Monate dauernden Verfahren ihre Unschuld beteuert. Die Staatsanwaltschaft hatte lebenslang gefordert. Die Berufsrichter und die Geschworenen rechneten jedoch das Alter und die vorherige Unbescholtenheit der Angeklagten als mildernd an. Sie fällten das Urteil nach langer Beratung einstimmig.
Die 22-jährige amerikanische Studentin Knox und der italienische Informatikstudent Sollecito, 25, haben nach Auffassung des Gerichts in der Nacht zum 2. November 2007 gemeinsam mit einem weiteren Täter die 21-jährige Meredith Kercher grausam zu Tode gemartert, weil sie sich weigerte, mit ihnen Sex zu haben.
Ein Jahr zusätzlich wegen Verleumdung
Die junge Frau wohnte im selben Haus wie Knox, sie waren befreundet. An Kerchers Leiche fanden sich Würgemale, drei Messerstiche am Hals und Kopfverletzungen. Sie war vergewaltigt worden. In einem getrennten Verfahren war der dritte Beschuldigte, Rudy Hermann Guede, bereits zu 30 Jahren Haft verurteilt worden. Auch er bestreitet die Tat, sein Berufungsprozess läuft.
Knox erhielt ein Jahr Haft zusätzlich wegen Verleumdung. Sie hatte einen Unbeteiligten des Mordes beschuldigt, was ihr die Anklage als heimtückisches Ablenkungsmanöver anlastete. Die um ein Jahr längere Strafe bedeutet auch, dass für Knox mögliche Vergünstigungen nicht gelten, die bei Strafen von bis zu 25 Jahren gewährt werden können, insbesondere eine frühere Haftentlassung. Die beiden wurden außerdem zur Zahlung von je einer Million Euro Schadenersatz an die Hinterbliebenen verurteilt.
Schmerzhafter Aufschub eines Freispruchs
Nach dem mit Höchstspannung erwarteten Schuldspruch in der Nacht zu Samstag brach Knox in Schluchzen aus und fiel in sich zusammen, die Justizbeamten schoben sie praktisch aus dem Saal. Sollecito reagierte völlig versteinert.
Seine Anwältin Giulia Bongiorno sagte: "Dies ist kein Schuldspruch, sondern der schmerzhafte Aufschub eines Freispruchs, der folgen wird." Seine zweite Verteidigerin Luca Maori sagte: "Für ein so grausames Verbrechen kann man nicht 25 Jahre verhängen. Entweder es gibt Freispruch oder lebenslang." Luciano Ghirga, einer der Anwälte von Knox, wiederholte, es sei kein einziger Beweis sichtbar geworden. "Das Urteil ist ein Kompromiss zwischen unsicheren Beweisen und der Schwere der Tat."
Ein Geschworener sagte der Nachrichtenagentur Ansa: "Wir haben die Beweise bewertet, die es gibt, und die, die es nicht gibt. Lebenslang wäre sicher eine zu harte Strafe für zwei junge Leute in den Zwanzigern gewesen." Der Anwalt von Kerchers Eltern äußerte sich zufrieden. "Es ist ein Urteil, das der Erinnerung an Meredith die Gerechtigkeit hinzufügt." Verbittert sind dagegen Knox' Eltern. "Die Richter hatten nicht den Mut, Gerechtigkeit zu üben.", sagten sie der Zeitung La Stampa zufolge. In der Berufung wird es andere Staatsanwälte geben, aber die Stadt bleibt dieselbe.
Die Entscheidung ist in den USA kritisiert worden. Einige Medien sprachen von einem Schandurteil. Knox und Sollecito stehen wegen ihres psychischen Zustandes unter erhöhter Überwachung.