Süddeutsche Zeitung

Sex im Erlebnisbad:Juristen halten zweiwöchigen Arrest für überzogen

Weil er öffentlich Sex in einer Therme bei Augsburg hatte, muss ein 19-Jähriger in den Jugendarrest. Eine angemessene Strafe? Experten bezweifeln das.

Von Anna Fischhaber

Zwei Wochen Arrest für öffentlichen Sex im Schwimmbad - eine zu harte Strafe? Dazu wurde nun ein 19-Jähriger vom Amtsgericht Augsburg verurteilt. Badegäste und der Bademeister wollen ihn und seine Freundin in flagranti erwischt haben, wie sie sich in der Erlebnisgrotte der Therme im Augsburger Vorort Neusäß vergnügten.

Der Staatsanwalt hatte dafür ein Wochenende Freizeitarrest und 32 Stunden Hilfsdienste gefordert. Dem Gericht ging das offenbar nicht weit genug. Die 18-jährige Begleiterin des Angeklagten darf zwar nach einem Wochenende den Arrest wieder verlassen, ihren Partner traf es deutlich härter: Er muss wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses in den Dauerarrest. Ist das wirklich angemessen?

Wie zeitgemäß ist der Jugendarrest?

Zumindest auf den ersten Blick nicht, sagt Henning Müller, Professor für Jugendstrafrecht an der Universität Regensburg. In den meisten Fällen werde eine solche Tat gar nicht erst angeklagt, so der Experte. Die Strafe hält er für zu hart: Einen Dauerarrest dürfe man nicht unterschätzen, dieser sei vergleichbar mit einem Gefängnisaufenthalt.

Auch Bernd Maelicke, Jurist, Sozialwissenschaftler und Resozialisierungsexperte, hält das Urteil für verfehlt. "Man kann sich schon fragen, wie zeitgemäß der Jugendarrest als Zuchtmittel noch ist", sagt er. Der Dauerarrest als isolierte Maßnahme bleibe weitgehend wirkungslos und produziere vor allem hohe Rückfallquoten.

Erzieherische Maßnahme

"Durch eine kurze strenge Freiheitsentziehung ... sollen die Verurteilten erzieherisch beeinflusst werden", wird die Maßnahme auf der Seite des bayerischen Justizvollzuges erklärt. Die Höchststrafe liegt bei vier Wochen Dauerarrest. Die Jugendlichen würden beispielsweise wegen Raubes, Diebstahls oder Körperverletzung zum Arrest verurteilt, sagt Müller. Aber wegen öffentlichen Geschlechtsverkehrs?

In dem Fall sei trotz Volljährigkeit das Jugendstrafrecht angewendet worden, weil eine Reifeverzögerung vorlag, heißt es beim Amtsgericht Augsburg. Demnach war der junge Mann im Schwimmbad stark alkoholisiert und soll den Bademeister beleidigt haben. Im Prozess habe er behauptet, ihm sei lediglich die Badehose heruntergerutscht - Aufnahmen einer Unterwasserkamera bewiesen das Gegenteil.

Ein Geständnis hätte sich sicherlich strafmildernd ausgewirkt, sagt der Gerichtssprecher. Zudem sei der Angeklagte wegen Trunkenheit im Verkehr vorbestraft. Nach Überzeugung des Gerichts liegt bei ihm ein Alkoholproblem vor - deshalb die harte Maßnahme.

"Soziales Training wäre die richtige Antwort"

Jugendstrafrechtsexperte Müller bezweifelt allerdings, ob der Arrest bei einem Alkoholproblem geeignet ist. Statt eines Zuchtmittels sei dann wohl eher eine Weisung - etwa zum Besuch eines sozialen Trainingskurses zur Bearbeitung der Alkoholproblematik - angebracht. Maelicke sieht das ähnlich: "Gemeinnützige Arbeit und soziales Training wären die richtige Antwort gewesen."

Wieso das Gericht anders geurteilt hat? "Jugendrichter haben einen großen Ermessensspielraum, weil sie auf den konkreten Täter eingehen und erzieherisch tätig werden sollen", sagt Müller. Im Prinzip sei das gut. Allerdings sei die Bandbreite der Strafen eben auch enorm groß. Bei stationären Maßnahmen sei Zurückhaltung angebracht. Er glaubt: Wäre der junge Mann nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt worden, es wäre - wenn überhaupt - eine Geldstrafe verhängt worden.

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