Süddeutsche Zeitung

Sensation in Pretoria:Pistorius kommt gegen Kaution frei

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Jubelschreie aus dem Pistorius' Lager, nur einer bleibt still und schaut zu Boden: der Sportler selbst. Richter Desmond Nair hat nach fünf Tagen Anhörung entschieden, dass Paralympics-Star Pistorius gegen eine Kaution von umgerechnet etwa 85.500 Euro und unter Auflagen freikommt. Nair zeigte sich von der Argumentation der Staatsanwaltschaft nicht überzeugt.

Als Richter Desmond Nair verkündet, Oscar Pistorius gegen Kaution freizulassen, brechen die Anwälte des Starathleten in Jubel aus. Seine Geschwister Aimee und Carl und Vater Henke liegen sich in den Armen. Sie weinen. Pistorius zeigt keine Regung, er hält den Kopf gesenkt. Minuten zuvor hatte Nair am Ende seiner zweistündigen Erklärung gesagt: "Würde es öffentliche Empörung auslösen Oscar Pistorius auf Kaution freizulassen? Ich glaube nicht." Empörung vielleicht nicht, aber doch großes Erstaunen.

So kann Pistorius den Gerichtssaal als freier Mann verlassen - vorerst. Der Paralympics-Star wird gegen Zahlung einer Kaution in Höhe von einer Million Rand (etwa 85.500 Euro) freigelassen. Er muss seine Pässe abgeben und sich zweimal pro Woche bei der Polizei melden. Außerdem darf er den Tatort nicht betreten und nicht mit den Zeugen sprechen.

Der nächste Gerichtstermin ist für den 4. Juni festgesetzt. In ihrem Kautionsantrag hatten die Anwälte von Pistorius argumentiert, es bestehe keine Fluchtgefahr, weil ihr Mandant ein weltweit bekannter Sportler sei und überall erkannt werde. Wenige Minuten nach der Entscheidung gab Pistorius' Familie eine Presseerklärung ab. Der Onkel des Angeklagten, Arnold Pistorius, sagte: "Wir sind erleichtert, aber trauern auch."

In der fünftägigen Anhörung hatten die Staatsanwaltschaft um Gerrie Nel und Pistorius' Verteidiger um Staranwalt Barry Roux ihre Positionen vor Richter Nair vertreten. Der entschied am Ende: "Die Staatsanwaltschaft hat nicht überzeugend genug für vorsätzlichen Mord argumentiert." Es bestehe keine Fluchtgefahr, pflichtete Richter Nair den Anwälten Pistorius' bei.

Keine akute Gefahr für die Gesellschaft

Außerdem gehe von Pistorius keine akute Gefahr für die Gesellschaft aus. Im Falle einer Ablehnung seines Antrags auf Freilassung gegen Kaution hätte der Sportler womöglich bis zum Prozessbeginn in einigen Monaten in Haft bleiben müssen. Der Richter stellte vorab klar, dass er mit seiner Anordnung nicht über die Schuld von Pistorius am Tod seiner Freundin entscheide, sondern lediglich die "Interessen der Justiz" im Blick habe.

Mittlerweile hat der Mordfall Reeva Steenkamp Züge einer griechischen Tragödie angenommen, so schnell überschlugen sich bisweilen die Ereignisse. Ursprünglich waren zwei Tage für die Anhörung angesetzt worden. Aber dann hatte das Magistratsgericht in Südafrikas Hauptstadt Pretoria seine Entscheidung immer wieder vertagt.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 26-jährigen Athleten kaltblütigen Mord an seiner Lebensgefährtin Reeva Steenkamp vor. Pistorius hat zwar gestanden, die tödlichen Schüsse in der Nacht auf den Valentinstag abgefeuert zu haben, weist den Vorwurf des vorsätzlichen Mordes jedoch entschieden zurück. Er habe einen Einbrecher im Haus vermutet und daher geschossen, sagt der Olympiateilnehmer. Laut Anklage schoss Pistorius vier Mal durch die geschlossene Badezimmertür, drei Geschosse trafen Steenkamp und verletzten sie tödlich.

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