Seligsprechung von Oscar Romero:Bischof Menschenfreund

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Das Porträt Oscar Romeros auf einer Hauswand in San Salvador. (Foto: REUTERS)
  • Der 1980 ermordete Erzbischof von San Salvador, Oscar Romero, wird am Pfingstsamstag von Papst Franziskus seliggesprochen.
  • Romero war ein schonungsloser Kritiker von sozialer Ungerechtigkeit und Bandenkriminalität in seinem Land.
  • Papst Johannes Paul II. stand ihm stets kritisch gegenüber. Er vermutete hinter dem Engagement des Erzbischofs linke politische Überzeugungen.
  • Dass Romero von Papst Franziskus nun selig gesprochen wird, ist ein deutliches Zeichen für den Wandel, den der aktuelle Papst eingeleitet hat.

Von Matthias Drobinski

Er weiß, dass er auf den Listen derer steht, die im Auftrag der Reichen und Mächtigen El Salvadors morden. Trotzdem ist der Gottesdienst in der Krankenhauskapelle in der Zeitung angekündigt: Oscar Romero, der Erzbischof, will sich nicht einschüchtern lassen. Er predigt über den Satz im Johannesevangelium: "Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht." Wer die Gefahr meidet, sagt der Erzbischof, verliert das Leben, "wer sich aber aus Liebe zu Christus dem Dienst an den anderen widmet, wird leben". Er tritt an den Altar. Es ist der Abend des 24. März 1980.

Ein Schuss. Romero stürzt hinter dem Altar zu Boden. Er stirbt im Krankenhaus. Die Auftraggeber rund um den berüchtigten Major Roberto D'Aubuisson sind zufrieden. Sie haben den Verräter liquidiert. Romeros Beerdigung endet im Chaos. Eine Bombe explodiert vor der Kathedrale, 40 Menschen sterben. Die einfachen Menschen, die Bauern, die Landlosen, wissen aber: Im Grab im Ostflügel des Doms liegt einer, der sein Leben gegeben hat für sie.

Selig- und Heiligsprechungen sind immer auch Signale

35 Jahre später erkennt das die katholische Kirche offiziell an: An diesem Pfingstsamstag, zum Fest des Heiligen Geistes, wird Oscar Romero in San Salvador seliggesprochen, als Märtyrer, der für den Glauben der Kirche gestorben ist. Der Akt erkennt die Verehrung an, die Romero in ganz Lateinamerika zuteil wird. Es ist aber mehr als das. Selig- und Heiligsprechungen sind immer auch Signale. Sie zeigen, wen der jeweilige Papst für vorbildlich hält, wer in einer Region (bei einer Seligsprechung) oder in der ganzen Welt (bei einer Heiligsprechung) verehrt werden soll.

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Und wenn es einen Seligen gibt, der den Vorstellungen entspricht, die Papst Franziskus hegt von einer Kirche, die bei den Armen ist - dann ist das Oscar Romero. Wahrscheinlich würde ohne Franziskus der Seligsprechungsprozess weiterhin im Vatikan vor sich hin dümpeln. Der neue Selige hat Gegner in Rom. Doch der Papst hat sich in einem internen Kirchenkampf eindeutig auf seine Seite geschlagen.

Seine Gegner fordern einen Exorzismus: In ihm sei der Teufel am Werk

Schon 1990 eröffnet der salvadorianische Weihbischof Gregorio Rosa Chávez das Seligsprechungsverfahren. Die Belege für das vorbildliche Leben Romeros sind schnell beisammen. 1997 übernimmt die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen in Rom das Verfahren. Sie sammelt Schriften, Zeugenaussagen, Berichte, ein Kirchenanwalt prüft. Die Anhänger Romeros hoffen auf ein schnelles Verfahren. Sie werden enttäuscht.

In Rom regiert seit 1978 Papst Johannes Paul II. Der ist aufgrund seiner Erfahrungen in Polen strikter Antikommunist. Er misstraut der "Theologie der Befreiung" in Lateinamerika, für ihn steht sie unter Marxismusverdacht. Er vertraut den Vertretern des streng konservativen Opus Dei, macht Gegner der Befreiungstheologie zu Bischöfen in Lateinamerika. Für die ist klar: Romero hat die staatliche Autorität in Frage gestellt - er starb in der politischen Auseinandersetzung, als Unseliger.

Dabei ist Romero die meiste Zeit seines Lebens ein konservativer Kirchenmann. Ihn bedrückt, dass es so viele Arme gibt in El Salvador. Er bewegt die Großgrundbesitzer, für die Armen zu spenden. Er ist aber gegen jede Politisierung der Kirche. Als er im Februar 1977 Erzbischof von San Salvador wird, gilt er als Günstling des Opus Dei.

Dann kommt alles anders. Oscar Romero, der 60-Jährige, wird innerhalb kürzester Zeit zum schärfsten Kritiker der sozialen Ungleichheit im Land, der Menschenrechtsverletzungen und Morde. Der letzte Anstoß dazu ist die Ermordung seines Freundes Rutilio Grande, den eine Todesschwadron erschießt. Grande hat Bauern im Kampf um ein Stückchen Land unterstützt. Nun steht Romero erschüttert vor der Leiche des Freundes. Und ist fortan nicht wiederzuerkennen.

Er besucht die Gemeinden, sieht die Not, erfährt von den Verschwundenen und Ermordeten. In seinen Predigten, die der katholische Rundfunksender überträgt, nennt er die Namen der Opfer und der Täter. Er verlässt den Bischofspalast und zieht in ein Zimmer in einem Krankenhaus. Er bricht mit seinen Unterstützern aus der Oligarchie. Ein regierungsnahes Blatt fordert, man solle einen Exorzismus an Romero vollziehen. Bei diesem Wandel müsse der Teufel am Werk sein.

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Kommentar von Matthias Drobinski

Der Bürgerkrieg kündigt sich an, linke und rechte Gewalt verstärken einander. Romero wird auch zum Feind der linken Guerilla, weil er auch deren Terror ablehnt und 1979 anfangs in einen Putsch junger Militärs Hoffnung setzt. Überhaupt wird der Erzbischof nicht zum Linken. In Briefen an ratsuchende Gläubige verteidigt er stets die katholische Lehre, rät Frauen, bei ihren untreuen Männern zu bleiben, sieht sich als Sohn seiner Kirche.

Umso mehr trifft ihn, dass seine Feinde in der Kurie Gehör finden. Im April 1979 ist er in Rom, will den neuen Papst treffen. Er wird hingehalten. Als er ihm endlich gegenübersitzt, mahnt Johannes Paul II., er solle sich um ein besseres Verhältnis zur Regierung bemühen. Eine zweite Begegnung 1980 verläuft ermutigender, der Papst versichert ihm, dass er sein Engagement für die Armen schätze. Aber er fürchte, dass die Kirche marxistisch infiltriert werde.

Die Angst vor politischer Instrumentalisierung ist groß

Romero wird klar, dass er nicht mehr lange zu leben hat, weil er tut, was er tut. Er fährt nur noch alleine im Auto, niemand soll mit in den Tod gehen müssen. Eine Bombe beschädigt den katholischen Rundfunksender, als der wieder funktioniert, hält er am 23. März die Sonntagspredigt. Er wendet er sich direkt an die Soldaten: "Wenn ein Mensch euch befiehlt zu töten, dann muss das Gesetz Gottes mehr gelten, das da lautet: Du sollst nicht töten! Kein Soldat ist verpflichtet, einem Befehl zu gehorchen, der gegen das Gesetz Gottes gerichtet ist." Zwei Tage später ist Romero tot.

1996 betet Johannes Paul II. an seinem Grab - eine späte Anerkennung. Das Seligsprechungsverfahren stockt dennoch. Elf Jahre später wird Benedikt XVI. nach dem Stand der Dinge gefragt. Romero sei "ein großer Zeuge des Glaubens", sagt er, es gebe aber "das Problem, dass eine politische Richtung ihn unrechterweise für sich als Bannerfigur in Anspruch nehmen wollte". Die Angst vor politischer Instrumentalisierung ist groß. 2007 werden Priester seliggesprochen, die im Spanischen Bürgerkrieg von den Linken ermordet wurden. Da besteht diese Sorge nicht.

Viele hatten das Gefühl, von Rom im Stich gelassen zu werden

Es braucht, auch das gehört zu dieser Geschichte, einen Kardinal Gerhard Ludwig Müller als Präfekten der Glaubenskongregation, der mit dem Befreiungstheologen Gustavo Gutierrez befreundet ist und sich für die Seligsprechung einsetzt. Er verringert die Bedenken der Kurie: Es gebe nicht die geringste Beanstandung an Romeros Lehren. Und es braucht einen Papst, der diese Seligsprechung will. Franziskus dürfte wie kaum ein anderer in Rom begriffen haben, welche Bedeutung Romero für die Katholiken in Lateinamerika gewonnen hat. Und dass die vielen Gläubigen endlich gewürdigt werden müssten, in denen das Gefühl gewachsen war, von Rom im Stich gelassen worden zu sein in ihrem Kampf gegen Armut und Diktatur.

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Aber es ist noch ein theologisches Problem zu beseitigen: Märtyrer müssen aus "Hass gegen den Glauben" umgebracht worden sein. Doch was ist, wenn Katholiken die Mörder sind, wie es bei Romero der Fall war? Im Sommer 2014 sagt Franziskus, die Theologen sollten klären, ob auch dann vom "Hass auf den Glauben" gesprochen werden kann, wenn einer ermordet wird, weil er sich "der Nächstenliebe widmet, wie sie Jesus von uns verlangt". Es ist eine neue Definition des Martyriums. Im Februar 2015 kommen die Theologen der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen einstimmig zu dem Schluss, dass der Tod Romeros ein Martyrium sei.

Hunderttausende Gläubige, neun Staatschefs, fünf Kardinäle und 75 Bischöfe und Erzbischöfe werden an diesem Pfingstsamstag zu der Zeremonie erwartet. "El Salvador ist voller Freude", sagt Weihbischof Georgio Rosa Chávez, der vor 25 Jahren das Verfahren eröffnete. Der Akt erkennt das Leiden der Christen in Lateinamerika in den Siebziger- und Achtzigerjahren an - und damit auch, dass die katholische Kirche ihren verfolgten Priestern und Bischöfen zu wenig half. Es ist eine späte Anerkennung der "Theologie der Befreiung". Romero wird der Schutzpatron des Caritas-Dachverbandes werden. Und vielleicht irgendwann ein Heiliger der Gerechtigkeit im Zeitalter der Globalisierung.

© SZ vom 23.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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