Süddeutsche Zeitung

Seehund im Rhein:"Nach Krefeld zu schwimmen, ist ein abenteuerlicher Jagdausflug"

Was macht ein Seehund im Rhein bei Krefeld? Findet er wieder in die Nordsee zurück? Antworten zu einem ungewöhnlichen Besuch.

Interview von Jana Stegemann, Düsseldorf

Am Montag wurde im Rhein ein ungewöhnlicher Gast gesichtet: ein Seehund. Augenzeugen beobachteten und fotografierten das Tier in der Nähe von Krefeld. Zuletzt war vor sechs Jahren ein Seehund im Rhein bei Düsseldorf gesehen worden; 1966 lockte sogar ein weißer Beluga-Wal zwischen Bonn und Duisburg die Menschen in Scharen an die Ufer. Peter Lienau, 53, kennt sich aus mit verirrten und nicht verirrten Seehunden: Er leitet die Seehundstation Nationalpark-Haus in Norden, Ostfriesland, direkt am Wattenmeer.

SZ: Herr Lienau, wie ungewöhnlich ist eine Robbe im Rhein?

Peter Lienau: Anhand der Kopfform bin ich sicher, dass es sich nicht um eine Kegelrobbe, sondern um einen Seehund handelt. Diese Tiere sind kleiner und schlanker als Kegelrobben. Ein Seehund so weit unten ist auf jeden Fall etwas Besonderes, aber nichts total Ungewöhnliches. Es kommt immer wieder vor, dass Seehunde die Flüsse hochschwimmen. Es wurden schon Seehunde in Weser, Elbe und Ems, bei Bremen, Hamburg und Papenburg gesichtet. Wo Fisch ist, da schwimmen sie gerne hin.

Dieser Seehund schwamm mutmaßlich knapp 300 Kilometer von der Nordsee runter bis nach Krefeld. Ganz schön weit für ein bisschen Fisch, oder?

Das ist keine Strecke für einen Seehund, sie sind sehr gute Schwimmer. Es gibt Tiere, die legen in einem halben Jahr bis zu 10.000 Kilometer zurück. Von uns in Norden ist Helgoland für die ein Tagesausflug. Aber nach Krefeld zu schwimmen, ist auf jeden Fall ein abenteuerlicher Jagdausflug, das stimmt schon.

Der Rhein ist gerade eine recht trübe Brühe. Findet sich der Seehund da gut zurecht?

Der Wechsel von Salzwasser zu Süßwasser macht dem Tier nichts, es kann problemlos einige Wochen, sogar Monate, ohne Salzwasser auskommen. Wir hatten hier im Binnenland ein Tier, das hat fast zehn Jahre im Süßwasser gelebt, leider ist es dann erblindet. Gerne halten sie sich auch im Brackwasser von Flussmündungen auf. Seehunde sind schlau und haben gute Sinne, das heißt, sie hören und spüren herannahende Boote und Schiffe. Nur ein Speedboot könnte ihnen vielleicht gefährlich werden. Wer dem Seehund helfen will, hält bitte Abstand von ihm, mindestens 100 Meter. Am Rhein jetzt Seehund-Tourismus aufzumachen, würde das Tier ungemein stören und stressen. Er braucht keine Hilfe von Menschen, er findet selbst den Weg zurück in die Nordsee.

Was frisst der Seehund denn im Rhein? Gibt's bei Krefeld besonders leckeren Fisch?

In der Nordsee favorisieren Seehunde Plattfische, aber als Nahrungsgeneralisten fressen sie alles - von der Krabbe bis zum Kabeljau. Etwa drei bis vier Kilo Fisch pro Tag. Wenn der Seehund genug Nahrung hat, bleibt er vielleicht auch länger im Rhein.

Im Wattenmeer liegen Seehunde gerne auf Sandbänken. Davon gibt's am Rhein kaum welche. Wo ruht sich der Seehund aus?

Er wird sicher ab und zu auch ans Ufer kommen, um zu ruhen, schläft aber auch im Wasser. Auch hier gilt: Wenn sich der Seehund ausruht, bitte unbedingt in Ruhe lassen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4794150
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/nas/bix
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.