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Sechsfachmörder gefasst:Kommissar Zufall hilft

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Ein verurteilter Mörder war seit Wochenanfang flüchtig. Nun lief der Mann, der aus Gewinnsucht ein Haus samt Mietern in die Luft gejagt hatte, der Polizei geradezu in die Hände.

Johannes Nitschmann, Düsseldorf

Den Fahndern kam Kommissar Zufall zu Hilfe. Vor einem Hotel im hessischen Stadt-Allendorf hat die Polizei am Donnerstagabend den als sechsfachen Mörder verurteilten Heinz Nieder als "hilflose Person" aufgegriffen. Der 49-Jährige stand offenbar nach einem Suizidversuch unter starker Tabletteneinwirkung, war ohne Ausweispapiere und hatte sich als "Ralf Möller aus Köln" ausgegeben. Erst nach der Einlieferung in die Uniklinik Marburg stellten die Polizisten anhand eines Fahndungsfotos fest, dass es sich bei dem geistig verwirrten Mann um den bundesweit fieberhaft gesuchten Sechsfach-Mörder handelte.

Der ehemalige Bauunternehmer aus Neuss hatte am vergangenen Dienstag die Frist zu seinem Haftantritt verstreichen lassen und war seither zur Fahndung ausgeschrieben. Nach den rechtskräftigen Feststellungen des Bundesgerichtshofs (BGH) hatte Nieder im Sommer 1998 in seinem Mietshaus auf der Düsseldorfer Krahestraße "aus reiner Gewinnsucht" eine Gasexplosion herbeigeführt und dabei sechs Menschen getötet. Trotz seiner Verurteilung zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe wegen sechsfachen Mordes hatte sich der 49-Jährige bis zuletzt auf freiem Fuß befunden.

Erst nach einem insgesamt elfjährigen Strafverfahren, einem der bislang längsten in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte, war das Urteil gegen Nieder am 8. Januar 2009 mit einer nunmehr unanfechtbaren Revisionsentscheidung des BGH rechtskräftig geworden.

Zuvor waren nach mehrjährigen Marathon-Verfahren zwei Urteile gegen den Mietshausbesitzer als "rechtsfehlerhaft" aufgehoben worden. Wegen überlanger Verfahrensdauer und "vermeidbarer Verzögerungen" durch die Justiz hatte das Bundesverfassungsgericht Ende2005 den Haftbefehl gegen den Mörder nach achteinhalbjähriger Untersuchungshaft aufgehoben. Seither war Nieder unter einer Adresse im rheinischen Rommerskirchen gemeldet, ohne dort wirklich zu wohnen.

Nachdem das lebenslängliche Urteil rechtskräftig und die Frist zum Haftantritt verstrichen waren, hatten Polizeibeamte am vergangenen Mittwoch versucht, den Sechsfach-Mörder an seinem gemeldeten Wohnsitz festzunehmen. Doch Nieder, der nach seiner Entlassung aus der U-Haft als Staubsaugervertreter und Fliesenleger regelmäßig gearbeitet hatte, war untergetaucht. Die SPD-Landtagsopposition witterte bereits einen "Justizskandal".

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Quelle:
SZ vom 25.04.2009
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