Schweizergarde:Männlich, ledig, jung, gesucht

File photo of Swiss guards standing at attention in Saint Peter's square

Die Gardisten sollen Zuverlässigkeit, Treue und Pflichtbewusstsein verkörpern.

(Foto: REUTERS)

Wer in die Schweizergarde im Vatikan aufgenommen werden will, muss innere und äußere Werte nachweisen können. Wird es bald schwer, Rekruten zu finden? Einblicke in ein durch und durch eidgenössisches Unternehmen.

Von Wolfgang Koydl

Das vergangene Jahr verlief recht gut für Bernhard Messmers Geschäft. Ein Papst zurückgetreten, ein neuer gewählt, viele TV-Bilder vom Konklave und vom neuen Heiligen Vater. "Das war wirklich positiv", sagt Messmer und unterstreicht seine Worte mit einer schwungvollen, gegen die Decke zielenden Handbewegung. "Die Anfragen gingen so in die Höhe." Der Grund für den ungewohnten Ansturm: Im Fernsehen waren nicht nur der Papst und seine Priester und Prälaten zu sehen, sondern auch jene Männer, die der 52-jährige Schweizer Messmer dem Kirchenstaat vermittelt: die Schweizergarde.

Die skandinavisch nüchtern eingerichteten Räume im dritten Stock eines unauffälligen Bürogebäudes im Zentrum von Glarus, dem Hauptort des gleichnamigen Kantons, mögen zwar nicht unbedingt an ein mittelalterliches Feldlager erinnern. Aber was Messmer hier tut, erinnert doch an die Arbeit jener Weibel, die einst Landsknechte für fremde Kriegsherren anwarben: Seit zwei Jahren leitet er die Rekrutierungsstelle der wohl ältesten, exklusivsten und ehrenvollsten Truppe der Welt. Für alle jungen Schweizer Männer, die dem Papst als Wache oder Leibwächter dienen wollen, ist Messmers Adresse die erste Anlaufstelle.

Die Garde hat Nachwuchsprobleme

Lediglich 110 Mann zählt die Garde heute, die vor mehr als 500 Jahren von dem Kriegerpapst Julius II. zum Schutze des Vatikans ins Leben gerufen worden war. Eigentlich sollte es nicht schwer sein, genügend Nachwuchs für eine so kleine Truppe zu finden. Aber Messmer gibt zu bedenken, dass wegen der Überalterung der Gesellschaft "der Teich, aus dem wir fischen können, immer kleiner" werde.

Ungefähr 30, 35 neue Hellebardiere braucht er jedes Jahr, die er aus rund 150 Kontakten rekrutieren kann. Ist der Vatikan in den News, gibt es mehr Interessenten. Weniger erfreulich sind Schlagzeilen wie jüngst ein Zeitungsbericht über angebliche homosexuelle Avancen von Geistlichen gegenüber Gardisten im Vatikan, dem Messmer mit großen Zweifeln begegnet. Ob die Enthüllungen Auswirkungen auf die Bewerbungen haben können, ließe sich nicht abschätzen, sagt er.

Wer Schweizergardist werden will, darf das 30. Lebensjahr nicht überschritten haben, und die weitaus meisten neuen Rekruten sind denn auch Anfang zwanzig. Das Alter ist eines von mehreren Kriterien, die ein künftiger Schweizergardist erfüllen muss, bevor er in der gelb-blau-roten Renaissance-Uniform mit einer Hellebarde in der Hand am "Portone di Bronzo", in der Sixtinischen Kapelle oder vor den Privatgemächern des Papstes Aufstellung nehmen darf. Kandidaten müssen ledig, katholisch und Schweizer sein, das Abitur oder eine Berufsausbildung sowie den eidgenössischen Wehrdienst absolviert haben.

Schön geformte Waden sind von Vorteil

Dazu kommen ein einwandfreier Leumund, ein zumindest mäßig durchtrainierter Körper und ein Empfehlungsschreiben des Ortspfarrers. Von Vorteil sind zudem schön geformte Waden. Sie sehen in den historischen Kniebundhosen einfach besser aus. "Aber entscheidend ist nicht, ob einer Muskeln hat, sondern vielmehr, ob er entscheiden kann, ob, wann und wie er diese im Ernstfall einsetzen kann", sagt Messmer.

Hinzu komme, dass die Wachen außer ihrer Hellebarde und einem Schwert keine anderen Waffen trügen. "Wir können während der Gottesdienste, bei Audienzen und Empfängen nicht mit einem Maschinengewehr neben dem Papst stehen", so hat ein Gardekommandeur einmal die Situation beschrieben. Zwar erhielten alle Gardisten auch ein Schusswaffentraining, versichert Messmer, zumal jene, die sich für länger als die obligaten 25 Monate verpflichten und für den engen Kreis der päpstlichen Personenschützer ausgebildet werden. Aber wichtiger als "Rambo-Fähigkeiten" seien die geistige Reife der Kandidaten und ihre Fähigkeit, unter Druck oder gar in Lebensgefahr schnell richtige Entscheidungen zu treffen. Deshalb unterzieht Messmer alle Bewerber einem ausgedehnten Testverfahren am Computer und einer eingehenden persönlichen Befragung.

Die Garde als schweizerisches Unternehmen

Als junger Mann diente Bernhard Messmer selbst bei der Schweizergarde, bevor er Karriere bei der Polizei machte und schließlich eine eigene Personalvermittlung gründete. Hauptberuflich vermittelt er Fach- und Führungskräfte in Verwaltung, Industrie, Gesundheitswesen oder Sicherheitsdiensten. Für ihn sei seine Zeit in päpstlichen Diensten eine "Lebensschule" gewesen, betont er.

Auch wenn viele junge Männer von Abenteuerlust getrieben eine der neun über die Schweiz verstreuten Regionalstellen der Garde aufsuchen, ist die Truppe - und auf diese Feststellung legt Messmer großen Wert - keine katholische Version der Fremdenlegion. Hier kann niemand anonym hereinspazieren und unter fremdem Namen ein neues Leben beginnen. Die Garde ist ein durch und durch schweizerisches Unternehmen, was sich in ihren Werten widerspiegelt, die Messmer mit Zuverlässigkeit, Treue und Pflichtbewusstsein umschreibt. Knapper drückt es das Motto der Garde aus: Acriter et Fideliter - tapfer und treu.

Ihre Tapferkeit mussten die wackeren Schweizer schon wenige Jahre, nachdem ihre Truppe aufgestellt worden war, unter Beweis stellen. Beim Sacco di Roma, der Plünderung Roms durch deutsche, französische und spanische Landsknechte am 6. Mai 1527, deckten sie die Flucht von Papst Clemens VII. in die Engelsburg. Dabei wurden 147 der insgesamt 189 Männer niedergemetzelt. Bis heute werden daher jeweils am 6. Mai die neuen Gardisten vereidigt. Bei dieser feierlichen Veranstaltung legen sie auch den federgeschmückten Helm und den stählernen Harnisch an, die zu ihrer Uniform gehören und die von Generation zu Generation weitergegeben wurden.

Die alten Harnische sind heute vielen Leuten zu klein

Ein 500 Jahre altes Exemplar eines Brustpanzers ziert den Empfangsbereich von Messmers Büro. "Leider können die historischen Kürasse aus der vatikanischen Waffenkammer heute immer weniger getragen werden, weil die Leute größer geworden sind", bedauert Messmer. "Und einen Harnisch kann man nicht mal einfach an den Nähten auslassen." Zum Glück gibt es einen Schmied in Österreich, der neue Harnische anfertigt. Maßgeschneidert sind auch die Uniformen der Schweizergardisten - aus mehr als 120 Einzelteilen. Nach dem Ausscheiden aus dem Dienst werden die Uniformen vernichtet. So vermeidet man, dass sie auf Ebay oder im Karnevalsumzug auftauchen. Nur wer länger als fünf Jahre dient, darf die Uniform mit nach Hause nehmen - mit präzisen Regeln, wann und wo sie getragen werden darf. Kostümfeste gehören nicht dazu.

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