Schweiz:Rad und Tat

Fahrradfahren in Zürich

Vorfahrt, jetzt auch fürs Velo: Radweg in der Zürcher Innenstadt.

(Foto: dpa)

Um Fußgänger und Radler gleichzustellen, stimmen die Schweizer für eine Aufnahme des "Velowegs" in die Verfassung. Weitere Referenden gehen weniger klar aus.

Von Charlotte Theile, Zürich

Bei Schweizer Volksabstimmungen geht es oft um komplizierte Vorgänge: Die Besteuerung von Unternehmen, Kreditvergaben in Milliardenhöhe, den Umbau des Gesundheitssystems oder der Altersvorsorge. An diesem Sonntag aber blieb es eher einfach. Die Schweizer stimmten darüber ab, ob Fahrradwege künftig einen Platz in der Verfassung bekommen sollen - und damit eine ebenso große Bedeutung erhalten sollen wie Fuß- und Wanderwege, die in der Schweiz traditionell einen sehr hohen Stellenwert haben und in entsprechend gutem Zustand sind. Die Antwort war deutlich. 73,6 Prozent der Schweizer stimmten für eine Aufwertung der "Velowege", wie sie in der Schweiz genannt werden. Ein Signal, dass das Radfahren nicht nur in umweltbewussten Milieus in den Innenstädten von Bedeutung ist, sondern ein Trend, der weite Teile der Bevölkerung erfasst hat. Besonders Elektro-Velos erfreuen sich in der Schweiz, wo es viel auf und ab geht, großer Beliebtheit. Sie lösen aber auch immer wieder Debatten aus, gelten vielen als zu schnell und gefährlich. Ähnlich wie in Deutschland werden die Konfliktlinien zwischen Radfahrern, Autofahrern und Fußgängern immer wieder neu verhandelt. Gerade in Städten wie Zürich wird das Netz der Velowege als ungenügend kritisiert. Ob die symbolische Aufwertung per Verfassungsartikel daran tatsächlich etwas ändert, ist allerdings offen.

Auch die anderen Initiativen, die am Sonntag schweizweit zur Abstimmung standen, wurden mitunter als Symbolpolitik kritisiert. Dabei ging es um die Frage, wie Nahrungsmittel produziert werden, also um höhere Standards für Handel und Produktion ("Fairfood-Initiative") sowie den Schutz der einheimischen Nahrungsmittelhersteller ("Für Ernährungssouveränität"). Doch beide Vorstöße wurden an der Urne abgelehnt. Die Fairfood-Initiative konnte nur 39 Prozent der Schweizer überzeugen, für Ernährungssouveränität stimmten 32 Prozent. Ein bemerkenswerter Absturz: Noch im August hatten beide Initiativen eine Mehrheit auf ihrer Seite gehabt. Dass beide gemeinsam zur Abstimmung kamen, wirkte wie ein Showdown. Zwei unterschiedliche Wahrnehmungen von guter Ernährung trafen aufeinander: Auf der einen Seite biologisch-bewusst und international ausgerichtet, auf der anderen die eher konservative Sicht, die mit Zöllen und Handelsschranken die heimische Produktion unterstützen wollte. Dass sich am Schluss keine der Vorlagen durchsetzen konnte, dürfte vor allem finanzielle Gründe gehabt haben. Das wichtigste Gegenargument war bei beiden Vorstößen identisch: Deutlich höhere Preise im Supermarkt.

Auf kantonaler Ebene wiederum sorgte St. Gallen für Aufregung. Nachdem bereits das Tessin seit Sommer 2016 ein Verhüllungsverbot kennt, will nun auch der Kanton an der Grenze zu Deutschland eine solche Regelung einführen. 66,7 Prozent der Bürger sind dafür, dass künftig bestraft werden kann, wer im öffentlichen Raum sein Gesicht verhüllt. Allerdings gilt dies nur, sofern es "die öffentliche Sicherheit oder den religiösen oder gesellschaftlichen Frieden bedroht oder gefährdet". Das klingt kompliziert und abgewogen, ist aber in seiner Zielrichtung eindeutig: Das Tragen von Burka oder Nikab soll in jedem Fall untersagt sein. Die Abstimmungen in St. Gallen galt vielen als Testlauf: In den nächsten Jahren soll in der Schweiz über ein landesweites Burkaverbot abgestimmt werden.

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