Süddeutsche Zeitung

Toblerone und Gruyère:Das ist doch der Gipfel

Toblerone darf bald nicht mehr mit dem Matterhorn für sich werben, und in den USA essen sie Gruyère-Käse, der nicht aus Gruyères kommt. Was ist los mit der Schweiz und ihren Marken?

Von Isabel Pfaff, Bern

Irgendwie ist gerade der Wurm drin bei den sonst so marketing-begabten Schweizern. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Toblerone, der berühmte Riegel mit den Schokoladenbergen zum Abbrechen, bald ohne das Matterhorn auf der Verpackung auskommen muss. Man plane "ein modernisiertes und gestrafftes Berg-Logo", das mit der bisherigen geometrischen und dreieckigen Ästhetik übereinstimme, teilt der US-Snack-Hersteller Mondelez auf Anfrage mit.

Ein "gestrafftes Berg-Logo" für die Ikone unter den Schweizer Schokoladen? Der Hintergrund dieser epochalen Entscheidung: Die Toblerone-Riegel, vor mehr als 100 Jahren in Bern erfunden und bislang auch dort produziert, werden ab Sommer 2023 teilweise im Ausland hergestellt - in der Slowakei. Damit, so lauten nun mal die eidgenössischen Regeln, steckt zu wenig Schweiz in den Riegeln, um sie noch als schweizerisch bezeichnen zu dürfen oder eben Symbole wie das Matterhorn zu verwenden. Medien in aller Welt berichteten.

Praktisch gleichzeitig wurde die Sache mit dem Gruyère-Käse publik: Schon seit Jahren versuchen die schweizerischen Gruyère-Hersteller zusammen mit französischen Verbündeten zu verhindern, dass in den USA Käse verkauft werden darf, der sich Gruyère nennt, aber nicht aus den geschützten Gruyère-Gebieten Europas kommt. Doch gerade hat ein amerikanisches Berufungsgericht bekräftigt, was für die Hersteller in der Schweiz und Frankreich einem Sakrileg gleich kommt: In den USA darf auch Käse Gruyère heißen, der in den USA oder sonst wo hergestellt wurde. Die detaillierten Vorgaben des Schweizer "Pflichtenhefts" zu Herkunft, Herstellung und Qualität? Waren den US-Richtern egal. Ähnlich wie der salzige Grundton, die Elfenbeinfarbe und die vier bis sechs Millimeter großen Löcher, die ein echter schweizerischer Gruyère idealerweise haben sollte.

Swissness heißt das Zauberwort

Gruyère aus einer US-Käserei, die Berner Traditionsschokolade bald slowakisch: Es sieht fast so aus, als bröckle die Achtung vor jenen legendären Schweizer Produkten, die das kleine Land berühmt gemacht haben. Dabei haben die Eidgenossen erst vor ein paar Jahren einen umfassenden Regelkatalog verabschiedet, um den Wert der "Marke Schweiz" zu erhalten: Swissness heißt das Zauberwort, mit dem die Schweizer Wirtschaft ihren teuren, aber im In- und Ausland trotzdem beliebten Standort zu schützen versucht.

Schweizer Fleisch ist dann Schweizer Fleisch, wenn das Tier den überwiegenden Teil seines Lebens dort verbracht hat, Früchte und Gemüse müssen in der Schweiz geerntet worden sein. Bei verarbeiteten Lebensmitteln gilt die Regel, dass sie 80 Prozent Schweizer Rohstoffe beinhalten müssen - es sei denn, sie beinhalten Stoffe, die natürlicherweise nicht in der Schweiz wachsen, Kakao zum Beispiel.

Chocolatiers, die ihre Produkte als schweizerisch ausweisen wollen, müssen aber darauf achten, dass alle Verarbeitungsschritte der Kakaobohne in der Schweiz stattfinden - wie bisher bei Toblerone. Nur dann kann sich ein Produkt mit dem Schweizerkreuz oder "indirekten Herkunftsangaben" wie dem Matterhorn oder Nationalheld Wilhelm Tell schmücken. Für Spezialitäten wie Gruyère oder Appenzeller kommen die regionalen Regeln noch obendrauf.

Wenn nun ein Süßwarenhersteller lieber auf das Matterhorn verzichtet, als am teuren Berner Standort festzuhalten, wenn US-Käseproduzenten plötzlich den Traditionskäsereien aus Gruyères die Stirn bieten - nähert sich dann womöglich das Ende der Marke Schweiz? Auch wenn die (vor allem ausländischen) Medienreaktionen das suggerieren: So weit scheint es dann doch noch nicht zu sein. Studien der ETH Zürich und der Universität St. Gallen zufolge macht der Schweiz-Bonus noch immer bis zu 50 Prozent des Verkaufspreises aus.

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