Schweiz:Kampf der Mafia

Seit Jahren wird der Schweiz vorgeworfen, Rückraum der internationalen Zigarettenmafia zu sein. Ein Prozess wird zum Test für das Vorgehen gegen das organisierte Verbrechen.

Es könnte eng werden für die aus der Schweiz operierenden Hintermänner der Zigarettenmafia. Ein Prozess in Bellinzona gegen mutmaßliche Zigarettenschmuggler wird zum Test für das Instrumentarium gegen das organisierte Verbrechen.

Schweiz: Entscheidender Prozess in Bellizona gegen die Zigarettenmafia.

Entscheidender Prozess in Bellizona gegen die Zigarettenmafia.

(Foto: Foto: dpa)

Die Schweiz hat zwar ihre Zusammenarbeit mit Italien und Deutschland im Kampf gegen den internationalen Zigarettenschmuggel schon seit Jahren auf dem Rechtshilfeweg intensiviert und der EU beim bilateralen Betrugsabkommen Zugeständnisse gemacht. So lieferte sie 2001 den Italiener Gerardo Cuomo an Italien aus, der später in Bari wegen Mafiadelikten zu einer mehrjährigen Zuchthausstrafe verurteilt wurde. Andere namentlich bekannte und in Italien zum Teil in Abwesenheit verurteilte mutmaßliche Drahtzieher des Finanz- und Warenflusses über die Schweiz blieben aber lange unbehelligt.

So verfügten die nun in Bellinzona angeklagten Tessiner Geldwechsler Franco Della Torre und Fredi Bossert zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung Ende August 2004 über eine Bewilligung der Geldwäscherei-Kontrollstelle des Bundes. Della Torre, dessen Name bereits beim Drogenring der "Pizza-Connection" in den 80er Jahren aufgetaucht war, ging auch aus einem Verfahren der Basler Justiz unbehelligt hervor. Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt stellte mit Beschluss vom 20. September 2001 ein Verfahren gegen den Tessiner Financier ein, weil sich der Geldwäschereiverdacht nicht aufrechterhalten ließ.

Ermittlungen nach Wechsel der Zuständigkeit zum Bund

Erst mit dem Wechsel der Zuständigkeit für die Verfolgung der organisierten Kriminalität zum Bund Anfang 2002 wurden umfassende Ermittlungen der Bundeskriminalpolizei und der Bundesanwaltschaft gegen jene Personen ausgelöst, sie seit der zweiten Hälfte der 90er Jahre bereits im Visier der italienischen Justiz und der deutschen Zoll- und Steuerbehörden gewesen waren.

Ende August 2004 schlugen die Strafverfolgungsbehörden dann bei einer Razzia in den vier Kantonen Tessin, Jura, Waadt und St. Gallen zu, verhafteten acht Personen, durchsuchten über 20 Firmen und Privatwohnungen und beschlagnahmten Akten und Vermögenswerte. Später kamen zwei weitere Verhaftungen dazu.

Mit ein Grund für die späte Reaktion gegen die Zigarettenmafia in der Schweiz dürfte der Umstand gewesen sein, dass Schmuggel kein strafrechtlich erfasstes Delikt ist, sondern nur in Sondererlassen des Verwaltungsrechts geahndet wird. So war zum Beispiel die Auslieferung Cuomos an Italien nur wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation, nicht aber wegen Zigarettenschmuggels möglich.

Im Prozess in Bellinzona muss sich nun zeigen, ob den zehn Angeklagten die Unterstützung beziehungsweise Beteiligung an einer kriminellen Organisation nachgewiesen werden kann. Das dies nicht einfach ist, musste die Bundesanwaltschaft zum Beispiel im ersten Terrorprozess gegen mutmaßliche Al-Kaida-Helfer erfahren. Sie blitzte im Februar 2007 in diesem Anklagepunkt in Bellinzona ab.

Seit Inkrafttreten der Strafnorm gegen die organisierte Kriminalität im Jahre 1994 gibt es laut der Strafurteilstatistik des Bundesamts für Statistik erst 33 Verurteilungen (bis Ende 2006). Kritiker sprechen deshalb von einer weitgehend bedeutungslosen Strafnorm, machen aber ein riesiges Missbrauchspotenzial durch die Strafverfolgungsbehörden aus.

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