Schweiz:Begleiteter Suizid wird Grundrecht

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Das Schweizer Bundesgericht hat das Recht auf begleitete Selbsttötung als Grundrecht anerkannt - die Sterbehilfeorganisation Dignitas erwartet nun europaweit liberalere Gesetze.

Auch psychisch Kranken steht nach dem Urteil dieses Recht zu, allerdings müssen sie urteilsfähig sein und die Verabreichung des für den sicheren Suizid notwendigen Medikaments darf nur mit äußerster Zurückhaltung und nach eingehender Abklärung erfolgen. Das Urteil wurde am Freitag von der Sterbehilfeorganisation Dignitas veröffentlicht.

Dignitas-Generalsekretär Ludwig Minelli (Foto: Foto: dpa)

Das Bundesgericht sorgte mit der Entscheidung für Rechtssicherheit und bestätigte die grundsätzlich liberale Haltung der Schweiz in dieser Frage. Zum Selbstbestimmungsrecht im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention gehöre auch das Recht, über Art und Zeitpunkt der Beendigung des eigenen Lebens zu entscheiden, heißt es wörtlich im Urteil - zumindest soweit der Betroffene in der Lage sei, seinen entsprechenden Willen frei zu bilden und danach zu handeln.

Es sei nicht zu verkennen, dass eine unheilbare, dauerhafte, schwere psychiatrische Beeinträchtigung ein Leiden begründen könne, das dem Patienten sein Leben auf Dauer hin nicht mehr als lebenswert erscheinen lasse. Nach neueren ethischen, rechtlichen und medizinischen Stellungnahmen sei auch in solchen Fällen eine Verschreibung von Natrium-Pentobarbital nicht mehr notwendigerweise kontraindiziert. Dabei ist aber aus der Sicht des Bundesgerichts äußerste Zurückhaltung geboten.

Basiert der Sterbewunsch auf einer autonomen, die Gesamtsituation erfassenden Entscheidung, dürfe unter Umständen auch psychisch Kranken Natrium-Pentobarbital verschrieben und dadurch Suizidbeihilfe gewährt werden. Dies setze aber ein psychiatrisches Fachgutachten voraus.

Das Urteil hatte ein 53-jähriger Patient erwirkt, der an einer schweren bipolaren affektiven Störung leidet. Er hatte zwei Selbstmordversuche begangen und wurde wiederholt stationär behandelt. Am 1. Juli 2004 trat er dem Verein Dignitas bei und bat diesen, für ihn eine Freitodbegleitung in die Wege zu leiten. Da für die hierzu erforderlichen 15 Gramm Natrium-Pentobarbital kein ärztliches Rezept ausgestellt wurde, versuchte er, das Medikament ohne ärztliche Verschreibung zu beziehen.

Sämtliche Instanzen und nun auch das Bundesgericht haben dieses Begehren abgewiesen. Das höchste Schweizer Gericht hat aber gleichzeitig seine Haltung zur Sterbehilfe klar festgelegt.

Laut Dignitas-Generalsekretär Ludwig Minelli wird mit dem Urteil allen Versuchen der Boden entzogen, mit zusätzlichen Regeln Menschen aus anderen Ländern den Weg zu einer Freitod-Begleitung in der Schweiz unmöglich zu machen. Minelli äußerte sich überzeugt, dass diese Entscheidung in anderen europäischen Ländern dazu führt, die politischen Positionen zu überdenken und liberalere Regelungen zu ermöglichen.

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