Schweiz:110 Prozent Steigung

The barrel-shaped carriages of a new funicular line are seen on the illuminated track near Stoos

Bewegliche trommelförmige Kabinen, die führerlos den Berg hochgleiten: Im schweizerischen Stoos hat die steilste Standseilbahn der Welt eröffnet.

(Foto: Arnd Wiegmann/Reuters)

In der Schweiz hat die steilste Seilbahn der Welt eröffnet. 48 Millionen Euro Baukosten, führerlose Steuerung, 744 Höhenmeter in vier Minuten Fahrzeit. Doch der Aufwand hat auch mit der Krise des Tourismus zu tun.

Von Charlotte Theile

Etwas mehr als vier Minuten Fahrtzeit, 744 Höhenmeter, bis zu 110 Prozent Steigung: Am vergangenen Wochenende wurde im zentralschweizerischen Stoos die steilste Standseilbahn der Welt eröffnet. Die aus beweglichen Trommeln bestehende Bahn soll sowohl Touristen als auch die 150 Einwohner des autofreien Dorfs von der Talstation hoch auf den Berg befördern. Mit umgerechnet 48 Millionen Euro Baukosten ist die Bahn eines der Vorzeigeprojekte des Landes. Der Zürcher Automationskonzern ABB, der die Motoren der Bahn geliefert hat, verkündet stolz: Die trommelförmigen Kabinen bewegten sich führerlos, 1500 Personen können in der Stunde in jede Richtung befördert werden. Verkehrsministerin Doris Leuthard weihte die Bahn am Wochenende ein - trotz einer für Schweizer eher ungewöhnlichen Schwäche: Höhenangst.

Wie man sich eine Steigung von 110 Prozent vorstellen soll? Die Bilder aus Stoos zeigen ein Gefährt aus gelben Kugeln, das auf schneebedeckten Schienen den Berg hinauffährt. Steil zwar, aber nicht so, dass einem schon vom Zusehen schlecht wird. Und in den Gondeln soll man auch während der Fahrt mühelos stehen können.

Die Rechnung bezieht sich nicht auf den Winkel, der beträgt knapp 48 Grad, sondern auf die Höhenmeter, welche die Bahn zurücklegt. Auf 100 Metern waagerecht sind es bis zu 110 Höhenmeter. Die Bahn sollte ursprünglich bereits zwei Jahre früher eröffnet werden, doch es gab Schwierigkeiten - besonders mit den drei Tunneln, welche die Bahn auf dem Weg von der Talstation Schlattli bis ins Bergdorf Stoos durchqueren muss.

Insgesamt gibt es in der Schweiz mehr als 500 Seilbahnen, besonders in der Innerschweiz halten viele davon Rekorde: die älteste Bergbahn Europas, die 1871 eröffnet wurde und Touristen auf die Rigi-Kulm führt. Die steilste Zahnradbahn der Welt von 1889. Eine rotierende Seilbahn, eine mit Cabrio-Gondeln.

Dass die Seilbahnbetreiber derart viel Aufwand betreiben, hat auch mit der Krise des schweizerischen Tourismus zu tun. In aufwendigen Programmen versucht der Schweizer Tourismus nun, auch Urlauber von weither für den traditionellen Wintersport zu begeistern, bietet etwa Anfängerkurse mit chinesischen Lehrern an.

Doch besonders begeistert sind Touristen aus dem Nahen und Fernen Osten von der Aussicht, die sie von den Gondeln aus genießen, von Tunneln, Brücken und schneebedeckten Berggipfeln. Und so ist die Rekordbahn in Stoos auch als Investment in diese neuen Urlauber zu verstehen.

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