Süddeutsche Zeitung

Jodlerinnen:Holleri du dödel du

Schweizer Frauen haben genug von Geschlechterstereotypen in Jodel-Liedern. Jetzt haben sie den feministischen Chor "Echo vom Eierstock" gegründet.

Von Isabel Pfaff, Bern

Dass Jodeln keine Männerdomäne ist, hat spätestens Loriot klargemacht. "Holleri du dödel du", übt Frau Hoppenstedt in dem Sketch "Jodelschule" und versucht damit, sich "etwas Eigenes" aufzubauen - für später nämlich, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Ein noch etwas ungelenker feministischer Impuls (der Sketch stammt aus dem Jahr 1978), aber immerhin.

Mehr als 40 Jahre später gibt es immer noch Frauen, die das Jodeln lieben: jenes Singen von Vokal-Konsonant-Verbindungen, das durch den Wechsel zwischen Falsett- und Bruststimme ein erstaunliches klangliches Spektrum entwickelt. Unterschieden wird dabei der text- und wortlose Naturjodel und die Jodellieder, bei denen sich Textstrophen mit Jodeln auf Silben abwechseln. Heutige Jodlerinnen haben allerdings weder mit der biederen Frau Hoppenstedt viel gemein noch mit den Frauen, die häufig in den alpenländischen Jodelliedern aus dem 19. und 20. Jahrhundert besungen werden: sanften Mädchen, die sich nur nach Mann und Kindern sehnen, oder lieben "Müetis", die sich ein Leben lang für andere aufopfern.

Feministischer Jodelchor "Echo vom Eierstock"

Für alle, denen solche Geschlechterbilder gegen den Strich gehen, gibt es im schweizerischen Kanton Nidwalden seit Kurzem eine Anlaufstelle: den feministischen Jodelchor "Echo vom Eierstock". Um die 50 Frauen bemühen sich dort um "einen guten Klang sowie eine feministische Bekundung", wie sie auf ihrer Website schreiben. Dafür verändern sie mitunter die Texte der Jodellieder, die sie singen. "Wir haben alle eine extreme Leidenschaft für diese traditionelle Musik", sagt die musikalische Leiterin Simone Felber in einem Beitrag des Schweizer Radios SRF, "aber wir können uns mit vielen Texten der Jodellieder nicht identifizieren."

Also wird umgeschrieben: Aus dem Lied, in dem es ums gemeinsame Tanzen, dann Heirat und Kindstaufe geht, wird eines, in dem die Sängerin alleine tanzt und das genießt. Man wolle die Texte "ins Hier und Jetzt holen", schreiben die Chorgründerinnen. Wie bei dem Lied übers Kinderkriegen: "Muetter, chom säg mer gschwend, brucht die Wält no meh Chend?" (Mutter, komm, sag mir schnell, braucht die Welt noch mehr Kinder?). Angesichts von Klimakrise und Konflikten eine Frage, die Frauen heute tatsächlich umtreibt.

Nun ist das Jodeln in der Schweiz nicht irgendein Nischenhobby. Es gehört wie das Schwingen, das Alphornblasen oder die Neutralität zum traditionellen Markenkern des Landes und wird deshalb nicht nur von Liebhabern, sondern auch von ganz oben gepflegt. Die Schweizer Regierung führt das Jodeln auf seiner "Liste der lebendigen Traditionen der Schweiz" und will die Singweise in den kommenden Jahren sogar für die Liste des immateriellen Kulturerbes der Unesco vorschlagen.

Wie kommt es in dieser traditionsbedachten Welt an, dass Feministinnen Hand anlegen an alte Jodeltexte und neue verfassen? Beim Eidgenössischen Jodlerverband will man sich noch nicht dazu äußern und sich erst mit den Verbandsmitgliedern besprechen. Begeistert klingt das nicht. Den Jodlerinnen aus Nidwalden könnte das aber sogar entgegenkommen: Auch Menschen, die sich über die textlichen Anpassungen empören, gehörten zur Zielgruppe des Chors, heißt es auf der Website. "Wir wollen keine Zensur, sondern Diskussion."

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