Süddeutsche Zeitung

Schweden:Nicht mal vor der Kneipe darf geraucht werden

Das neue Rauchverbot in Schweden schränkt Qualmer auch im Freien stark ein. Die Zustimmung in der Bevölkerung ist überraschend hoch - und die Art der Kontrollen ungewöhnlich.

Von Thomas Steinfeld

Es liegt nicht nur an der Erwärmung des Klimas, dass es in Schweden immer mehr Straßen- und Gartenlokale gibt: Deren Zahl soll sich, halboffiziellen Daten zufolge, in den vergangenen zwanzig Jahren verdreifacht haben, was zum Teil auch daran liegen dürfte, dass es heute deutlich mehr Gaststätten gibt. Überhaupt sind die Sitten lockerer geworden, die Italianisierung des Nordens schreitet voran, mit Heizpilzen oder ohne, und der Wein ist in den Läden der staatlichen Monopolgesellschaft auch nicht mehr viel teurer als im gut sortierten deutschen Einzelhandel. An einem Punkt indessen erweist sich nun der schwedische Staat so unerbittlich sittenstreng, wie man es von ihm in der Vergangenheit erwartet hätte: Seit dem 1. Juli, also seit dem vergangenen Montag, gilt im ganzen Land ein erweitertes Rauchverbot.

Es gilt, über das Rauchverbot in Gaststätten und öffentlichen Einrichtungen hinaus (dort wurde es im Jahr 2005 eingeführt, zwei Jahre bevor man in Deutschland das Gleiche tat), nunmehr in eben jenen Straßen- und Gartenlokalen, vor den Eingängen zu allen Gaststätten, auf Spiel- und Sportplätzen, Bahnsteigen sowie auf Warteplätzen aller Art, also zum Beispiel für Bushaltestellen. Auch E-Zigaretten fallen unter das Verbot.

Die Polizei setzt auf Selbstkontrolle der Bürger

Kontrolliert, gar durch spezielle Patrouillen der Polizei, soll das erweiterte Rauchverbot indessen nicht werden. Das liegt zum einen daran, dass die schwedische Polizei seit einigen Jahren ohnehin große Personalprobleme hat (was vor allem an den wiedereingeführten Grenzkontrollen liegt). Zum anderen soll die Zustimmung der Bevölkerung zum erweiterten Rauchverbot insgesamt bei über achtzig Prozent liegen, so dass sich die Behörden vermutlich auf ein gewisses Maß an Sozialkontrolle verlassen können. Die praktische Durchsetzung des Verbots im Konfliktfall soll so funktionieren, dass sich nichtrauchende Bürger über ihre rauchenden Genossen beschweren müssen, so dass eine Ordnungsperson (der Wirt oder ein Schaffner) einschreiten muss, der den Raucher auffordert, sein Tun aufzugeben oder den Ort zu verlassen. Erst, wenn der Stinker nicht Folge leistet, wird, vielleicht, die Polizei einschreiten. Man kann es nicht anders sagen: Das ganze Verbot hat etwas hochgradig Fantastisches.

In den letzten Tagen vor Einführung des Verbots reagierten die Kulturseiten der großen Zeitung noch einmal so, wie sie es vor der Einführung des Rauchverbots in den geschlossenen Räumen der Gaststätten getan hatten: Noch einmal wurden die herrlichen Gesten beschworen, die mit dem Rauchen von Zigaretten (manche erinnern sich auch noch ans Pfeifenrauchen) verbunden waren, noch einmal wurden die Werte des Liberalismus wider die Rigidität der "Verbotsgesellschaft" beschworen, noch einmal wurde auf die Autoabgase verwiesen, die nicht minder gesundheitsgefährdend seien als der Zigarettenrauch, aber nach wie vor nicht verboten werden. Und man wäre nicht in Schweden, würde nicht auch die Sozialstatistik angerufen: Die durchschnittliche Lebenserwartung für Männer in den reichsten Gemeinden Schwedens liegt achtzehn Jahre über den entsprechenden Werten in den ärmsten Gemeinden, was sich - nicht nur, aber auch - auf das Rauchen zurückführen lässt, das unter Immigranten weitaus weiter verbreitet ist als unter pensionierten Bankdirektoren.

Aus Malmö wird unterdessen gemeldet, dass empörte Raucher nunmehr Campingtische auf öffentlichen Plätzen aufstellen, um dort demonstrativ Wolken in die Luft zu blasen.

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