Schweden feiert Geburt von Victorias Tochter:42 Salutschüsse und eine Kabinettssitzung

Erst ein paar Stunden ist die Tochter von Schwedens Kronprinzessin Victoria alt - und schon bestimmt das Hofprotokoll ihr Leben: Die Feierlichkeiten zur Geburt sind ebenso klar geregelt wie das traditionelle Ritual, mit dem die Herkunft der Thronfolgerin bewiesen werden soll.

Gunnar Herrmann, Stockholm

"Ich bin mit meinen Gefühlen noch ganz durcheinander", sagt Prinz Daniel, noch sichtlich ergriffen von der Geburt seines ersten Kindes, als er am Morgen im Karolinska-Universitätskrankenhaus von Stockholm vor die Journalisten tritt. Erst ein paar Stunden ist es her, dass seine Frau, Kronprinzessin Victoria von Schweden, ein Mädchen zur Welt gebracht hat, 51 Zentimeter groß und 3280 Gramm schwer. Victoria und "der süßen Prinzessin" gehe es sehr gut, sagt der Vater. Kurz nach Mitternacht hatte das schwedische Königshaus bestätigt, dass Victoria sich ins Krankenhaus begeben habe. Seitdem hatte ganz Schweden der Geburt des royalen Nachwuchses entgegengefiebert.

Schon die Nachricht von Victorias Schwangerschaft im vergangenen August war in der schwedischen Presse überschwänglich gefeiert worden: Darauf hatte das Land seit der Hochzeit am 19. Juni 2010 gespannt gehofft. Mit wachsendem Enthusiasmus erwartete man nun die Geburt des Thronfolgers - oder der Thronfolgerin, das Geschlecht des Babys wurde vorab nicht verraten. Das Haga-Schloss, in dem Victoria und Daniel seit ihrer Trauung wohnen, wurde in den vergangenen Wochen bereits von Reportern umschwärmt, die darauf hofften, einen Blick auf die Kronprinzessin zu erhaschen, wenn sie zur Entbindung ins nahegelegen Karolinska-Krankenhaus eilt.

Schon Anfang Februar gab es im Frühstücksfernsehen erste Talkrunden, bei denen Experten die baldige Niederkunft vorhersagten. Eine vieldiskutierte Frage unter Reportern war, wer wohl das erste Bild vom neuen Thronerben schießen würde. Kronprinzessin Victoria beendete alle Spekulationen schließlich in ihrem letzten Interview vor der Geburt, das sie Anfang Februar der Zeitung Aftonbladet gab. "Das erste Foto darf Papa machen", erklärte sie. Also wird heute wohl König Carl XVI. Gustaf die Aufgabe zufallen, das kleine Mädchen mit der Familienkamera auf das Blitzlichtgewitter vorzubereiten, das es fortan sein Leben lang begleiten wird.

Victoria begegnete der Aufregung um ihre Person während der Schwangerschaft mit betonter Gelassenheit. Sie versuchte, weiter ihre Arbeit zu machen und nahm auch in den vergangenen Monaten viele offizielle Termine wahr, bis zuletzt: Noch vor zwei Tagen nahm die Hochschwangere gemeinsam mit ihrem Gatten an einem Dinner mit der finnischen Präsidentin Tarja Halonen teil.

Den Namen der Prinzessin verkündet der König

Im Haga-Schloss ist schon alles auf das neue Familienmitglied vorbereitet. Der Ort weckt vor allem bei älteren Schweden Erinnerungen an glückliche Kinder: Hier wuchs einst Victorias Vater Carl Gustaf auf. Die schwarzweißen Kinderfotos vom kleinen Thronfolger, der in den idyllischen Parkanlagen mit seinen älteren Schwestern spielt, sind derzeit wieder in allen Zeitungen zu sehen. Jetzt soll also Carl Gustafs Enkel am gleichen Ort aufwachsen. Ein Kinderzimmer haben Victoria und Daniel natürlich schon eingerichtet. Und auch Carl Gustafs altes Holzspielhaus aus den 1940er Jahren wurde renoviert. Haga Schloss mit seinem mehr als sieben Hektar großen Garten sei "ein phantastischer Platz zum Wohnen und sicher auch zum Aufwachsen", sagte Victoria kürzlich im Aftonbladet. Aber der Wohnort sei wohl letztlich nicht so entscheidend. Viel wichtiger sei die Geborgenheit, die die Eltern ihrem Kind geben müssten, meinte sie.

Kronprinzessin Victoria bringt Tochter zur Welt

Noch am Dienstag nahm die hochschwangere Kronprinzessin an einem Essen mit der finnischen Präsidentin teil. Am Donnerstagmorgen brachte Victoria eine Tochter zur Welt.

(Foto: dapd)

Vier Honoratioren als Zeugen der Geburt

Das Mädchen ist nach seiner Mutter von nun an die Nummer zwei in der Erbfolge der schwedischen Monarchie, bislang stand Victorias Bruder Prinz Carl Philip auf diesem Platz. Auf die künftige Königin wartet nicht nur eine märchenhafte Schlossidylle, sondern auch die Pflicht. Bereits die ersten Stunden im Leben der nächsten Thronfolgerin sind durchs Protokoll geregelt: Neben Eltern und Großeltern sind die ersten Menschen, die das Kind zu Gesicht bekommt, Reichmarschall Svante Lindqvist, Oberhofmeisterin Alice Trolle-Wachtmeister, Reichstagspräsident Per Westberg und Regierungschef Fredrik Reinfeldt.

Die Tradition schreibt es vor, dass diese vier Honoratioren die Geburt bezeugen und anschließend mit ihrer Unterschrift dafür bürgen, dass der Sprössling tatsächlich ein Abkomme Victorias ist. In alten Zeiten mussten die Zeugen sogar der Entbindung beiwohnen. Im modernen Schweden wird den Royals aber mehr Privatsphäre zugestanden und die Zeremonie findet erst nach der Geburt außerhalb des Kreißsaals statt - voraussichtlich an diesem Freitag. Anschließend beruft König Carl XVI. Gustaf das Kabinett zu einer Beratung ein, bei der er den Namen und den Titel seiner Enkelin bekanntgibt.

Das Militär unterrichtet unterdessen die Untertanen von dem freudigen Ereignis: Im ganzen Land wird Salut gefeuert. Zwei Salven mit jeweils 21 Schuss schreibt das Protokoll der Streitkräfte für die Geburt eines Thronfolgers vor, sie sollen an diesem Donnerstag um zwölf Uhr mittags abgegeben werden. Für den Tag nach der Geburt ist ein Dankgottesdienst in der Stockholmer Schlosskirche vorgesehen. Die Einladungen an Familienmitglieder, Hofpersonal, sowie Regierungsmitglieder und Reichstagsabgeordnete hat der Hof sicherheitshalber bereits am 1. und 2. Februar verschickt.

Erschüttertes Vertrauen in die Monarchie

Die Geburt kommt für Schwedens Monarchie zu einem günstigen Zeitpunkt, könnte sie doch helfen, das angeschlagene Image wieder aufzubessern. Nachdem die Hochzeit von Kronprinzessin Victoria und ihrem Prinz Daniel das Land im Sommer 2010 in einen royalistischen Taumel versetzt hatte, wurde das Vertrauen in das Königshaus anschließend durch eine ganze Reihe von Affären erschüttert. Da waren zum einen die Enthüllungen rund um das angeblich recht ausschweifende Privatleben des Königs. Carl Gustaf soll unter anderem Partys im Rotlichtmilieu gefeiert haben, seinen Freunden wurden gar Kontakte zur Unterwelt nachgesagt.

Zum anderen war da die lange Debatte um die Nazi-Vergangenheit von Walther Sommerlath, dem Vater von Königin Silvia. Die Kronprinzessin und ihr Ehemann blieben von den Skandalen jedoch unberührt. Victoria und Daniel sind nach wie vor überaus populär, Umfragen zufolge würde eine wachsende Zahl der Untertanen es sogar begrüßen, wenn Carl Gustaf seiner Tochter vorzeitig den Thron überließe - was er selbst allerdings strikt ablehnt. Mit der Geburt des ersten Kindes dürften diese Diskussionen ohnehin beendet sein. Denn Bilder und Berichte über Victorias kleine Tochter werden alle anderen Fragen der Monarchie in den Hintergrund drängen.

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