Süddeutsche Zeitung

Schwarzwild:Null Toleranz

Die Dänen haben die Wildschweine vor 100 Jahren ausgerottet. Und jetzt das: Ganze Rotten kommen aus Schleswig-Holstein über die Grenze. Das gibt Ärger.

Von Silke Bigalke

Dieser Vorfall aus dem August ist in Dänemark immer noch gut in Erinnerung: Mindestens 18 Eindringlinge sollen damals über die dänischen Maisfelder hergefallen sein, Wildschweine aus Deutschland, eine ganze Rotte. Genug, um die Dänen nervös zu machen, die ihre eigenen Wildschweine vor mehr als hundert Jahren so gut wie ausgerottet haben. Nun geistern Zahlen durch die Medien, die die Wildschwein-Phobie noch anheizen. Sie stammen aus Schleswig-Holstein, seit drei Jahren laufen den Jägern dort von Saison zu Saison mehr Wildschweine vor die Flinten. Der Bestand im Norden wächst, und die Tiere, so die Sorge, machen vor der Grenze ja nicht halt, da helfen auch keine Kontrollen.

Die dänischen Schweinebauern fürchten sich vor Afrikanischer Schweinepest, Klassischer Schweinepest, Maul- und Klauenseuche und was die wilden Schweine sonst noch anschleppen könnten. Für die dänische Industrie wäre das eine Katastrophe, beachtliche 31 Millionen Schweine verkauft sie laut dem Verband Danske Svineproducenter pro Jahr, und zwar überwiegend ins Ausland. Gesundheitszertifikate spielen dabei eine große Rolle, und die setzt Dänemark aufs Spiel, wenn es die Wildschweine ins Land lässt. Bricht eine Schweinepest in freier Wildbahn aus, wird man sie schwer wieder los, sagt Henrik Mortensen, Chef der Danske Svineproducenter. Dann würden die etwa fünfeinhalb Millionen Dänen womöglich auf fünfmal so vielen Schweinen sitzen bleiben. "Wir sind wirklich besorgt", sagt Mortensen.

Dänemark fährt seit Jahren eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Wildschweinen. Jedes Tier, das sich über die Grenze wagt, darf abgeschossen werden. Weil das aber so selten passiert, fahren dänische Jäger gelegentlich rüber nach Norddeutschland; 12 556 Wildschweine sind im vergangenen Jagdjahr allein in Schleswig-Holstein geschossen worden.

Bisher immerhin scheinen die Wildschweine gesund zu sein, die Dänen testen jedes erschossene Tier. Auf deutscher Seite sei der letzte Fall von Klassischer Schweinepest 2009 entdeckt worden, sagt Lis Alban vom dänischen Rat für Landwirtschaft und Nahrungsmittel. Ein einzelnes Wildschwein, das die Grenze passiert, hält sie daher nicht gleich für ein Risiko. Vor Jahren haben es die Dänen sogar mit einer Abschussprämie versucht: 250 Euro für jedes erlegte deutsche Wildschwein nördlich des Nord-Ostsee-Kanals. Reine Geldverschwendung, stellte sich bald heraus: Die Jäger haben zwar ordentlich kassiert, aber den Nachwuchs nie gefährdet.

Und was die 18 Wildschweine im Maisfeld angeht: Claus Jørgensen, Jäger und Schweinebauer aus dem süddänischen Tinglev, sagt, er habe befürchtet, die Tiere würden überwintern, sesshaft werden. Offenbar sind sie aber verschwunden, sobald der Mais geerntet war. Zur Enttäuschung des Jägers, zum Glück für den Schweinebauern.

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Quelle:
SZ vom 22.11.2016
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