Schwarzfahren:Absurde Strafe

Justizminister zur Strafbarkeit von Schwarzfahrten

In Punkto Schwarzfahren trifft das Strafrecht Arme härter als Reiche.

(Foto: dpa)

In Deutschland sitzen Hunderte Schwarzfahrer im Gefängnis. Das ist unnötig und ungerecht. Blinde Passagiere sollten entkriminalisiert werden.

Kommentar von Ronen Steinke

Das Gesetz in seiner majestätischen Gleichheit verbietet es den Reichen wie den Armen, unter Brücken zu schlafen, auf den Straßen zu betteln und Brot zu stehlen, schrieb der französische Satiriker Anatole France im Jahr 1894. Das deutsche Recht steht dem heute nicht nach. Es ist absolut egalitär. Es verbietet Reichen wie Armen, pleite zu sein und Pipifax-Strafen für Schwarzfahren nicht begleichen zu können. Und es steckt sie bei Zuwiderhandlung ohne Ansehen der Person ins Gefängnis.

Es ist absurd: In deutschen Gefängnissen sitzen Hunderte Schwarzfahrer ein, hauptsächlich Mittellose mit, wie es höflich heißt, multiplen Problemlagen - weil der Staat dieses Bagatelldelikt einst zur Straftat erhoben hat, anstatt es bei einer Ordnungswidrigkeit oder einer Privatsache zu belassen. Das Strafrecht ist ökonomisch schreiend ungerecht, es trifft die Ärmeren ungleich härter.

Selten zeigt sich das so scharf wie hier. Verkehrsbetriebe rechnen gern vor, wie viele Millionen sie mehr verdient hätten, wenn jeder Schwarzfahrer ein Ticket gelöst hätte. Aber man sollte nicht vergessen, beim einzelnen Delinquenten geht es um eine einzelne Tat, mit einem Schaden von zum Beispiel 2,80 Euro.

Wer hat etwas von solcher Straferei? Da die Verkehrsbetriebe auf Abschreckung hoffen, gilt für blinde Passagiere ohnehin ein erhöhtes Beförderungsentgelt von 60 Euro; das ist nicht wenig. Wenn man das Delikt wieder zur Ordnungswidrigkeit herunterstufen würde, verlöre niemand etwas. Nur die Gefängnisse wären leerer.

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