Süddeutsche Zeitung

Schöne Fußballer:Nur Sieger sind sexy

Lesezeit: 2 min

Rauchende Schauspieler mit aggressivem Weltekel? Haben als Idole ausgedient. Das männliche Sexsymbol von heute hat viel Rumms, wenig Text und kaum Stoff auf dem Astralkörper.

Von Birgit Schönau

Spätestens jetzt, da die Vogue ihn nackt auf ihrem Titel zeigt, kann man ja verstehen, warum so viele Männer Cristiano Ronaldo abgrundtief unsympathisch finden: Er ist nicht nur unfassbar schön wie Apoll, sondern er hat, genau wie der alte Griechengott, auch noch echtes Talent. Wenn man sich also als Mann diesen Ronaldo so anschaut, muss das zwangsläufig zu einer fatalen Doppelfrustration führen: Nicht nur, dass man es vermutlich im Leben nicht schafft, so auszusehen - der Junge kann ganz bestimmt auch besser Fußball spielen, eventuell sogar bei der WM Deutschland schlagen.

Es ist die Mischung aus Schönheit und Begabung, die Fußballer zu Sexsymbolen macht. Nur gut aussehen und auf dem Platz dumm herumstehen, das reicht nicht aus. Früher galt das alles übrigens für Filmschauspieler. Die durften durchaus auch älteren Semesters sein oder eher schmächtig gewachsen, sie konnten rauchen wie die Schlote und zu viel Whiskey trinken - an ihrer Ausstrahlung änderte das nichts. Diese Zeiten sind vorbei. Heute will man Jugend, Waschbrettbauch, strotzende Gesundheit und möglichst wenig Text, kombiniert mit einer Durchsetzungsfähigkeit, die jeden Gegner alt aussehen lässt.

Sexy sind nicht mehr die Marcello Mastroiannis und Richard Burtons mit ihrer melancholischen Leisetreterei oder dem aggressiven Weltekel, sondern die Beckhams und Ronaldos. Schauspieler konnten Stilikonen sein zu einer Zeit, die ernsthaft nach Eleganz suchte. Dass die Vogue einen nackten Mann auf ihren Titel packt, zeigt uns, dass Stil ein Begriff von gestern ist. Denn Ronaldo und seinesgleichen sind Fabelwesen ohne Falten und ohne Zweifel, für die der Weg ohne Umwege nur immer zum nächsten Tor führt.

Das sagt etwas über unsere Gesellschaft aus, ist aber keineswegs neu: Im alten Rom hielten sie es genauso. Gleichgültig, ob der Philosoph Marc Aurel regierte oder der vergleichsweise unterbelichtete Bade-Kaiser Caracalla: Die Römer, und insbesondere die Römerinnen, schwärmten für jene Gladiatoren, die im Kolosseum fürs Spektakel sorgten. Damals wie heute galt: Loser sind nicht sexy, der Sieger kriegt sie alle. In der feinen Gesellschaft blieben Gladiatoren geächtet, es waren ja Sklaven. Und wenn sie ausgekämpft hatten, kamen sie neben Schauspielern und Huren auf einen Outlaw-Friedhof. Aber das schien Damen von Welt gerade gereizt zu haben. Sogar Kaiserin Faustina, die doch mit dem klugen Marc Aurel verheiratet war, soll etwas mit einem Gladiator gehabt haben - angeblich waren es diese Gene, die ihren Sohn Commodus dazu beflügelten, selbst im Kolosseum mit dem Kurzschwert zu fuchteln.

Wem jetzt dräut: Typisch Spätgesellschaft, damals wie heute, der sei beruhigt: Das römische Reich machte es nach Commodus noch fast 300 Jahre. Spaßgesellschaft, das trifft es eher, zumal es sich mit den Philosophen-Kaisern bei uns umgekehrt proportional zu den sexy Fußballern verhält: Je weniger es von den einen gibt, desto mehr gibt es von den anderen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1970856
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 21.05.2014
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.