SZ-Kolumne "Bester Dinge"USA, UhuSA!

(Foto: Stefani Reynolds/AFP)

In Washington, D.C., ist eine seltene Schneeeule aufgetaucht - und das Tier stellt so manche Sehenswürdigkeit in den Schatten.

Von Moritz Geier

Wenn es nach Benjamin Franklin gegangen wäre, dann hätten die USA heute einen anderen Nationalvogel, denn der Staatsmann sprach sich für den Truthahn als animalischen Repräsentanten aus. Dem Adler attestierte er als Raubtier einen "schlechten Charakter". Am Ende setzte sich dann doch der Weißkopfseeadler durch, vermutlich auch, weil es dem Truthahn mit seinem über den Schnabel hängenden Hautlappen ein wenig an der für Symbolträger notwendigen Noblesse mangelte.

Heute jedenfalls schmücken aus Marmor gemeißelte Truthahnbesieger alle möglichen Denkmäler in Washington, D.C. Unweit des Kapitols etwa, wo Falken und Tauben politische Entscheidungen fällen, steht ein Brunnen zu Ehren von Christoph Kolumbus. Oben drauf vier Adler unter einem Marmorglobus, der die westliche Hemisphäre symbolisiert. Nur für die Eule, die auf dem Globus thront, haben Ikonografen noch keine schlüssige Erklärung liefern können. Steht sie für Weisheit wie in der griechischen Mythologie? Oder für den nahenden Tod wie im Mittelalter?

Zum Glück für die Kunsthistoriker saß die Eule nur für einen kurzen fotografischen Moment auf der westlichen Hemisphäre, später wurde die offenbar an diversen Sehenswürdigkeiten interessierte Touristin auch auf dem Dach der Union Station und dem Hauptquartier der Kapitolspolizei gesichtet. Wie sich herausstellte, handelte es sich weder um die Weisheit noch den Tod, sondern lediglich eine seltene Schneeeule aus der arktischen Tundra auf USA-Besuch. Und hätten die Gründerväter die Begeisterung der Vogelfreunde erleben können (auch der Schweizer Botschafter soll der Eule mit Kamera und Stativ hinterhergelaufen sein), dann wäre der Nationalvogel heute womöglich ein anderer.

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