Schneechaos in Deutschland:Schnee ohne Ende

Schwieriger Start am Morgen: Nur langsam kommt der Verkehr nach dem Abzug von Sturmtief Daisy wieder in die Gänge. Autos und Züge stecken fest, Flüge werden annuliert.

Der Katastrophenalarm wegen der Schneemassen, die Sturmtief "Daisy" mit sich brachte, ist in zahlreichen Gemeinden in Norddeutschland mittlerweile wieder aufgehoben worden - das Tief ist aus Deutschland abgezogen. Dennoch kommt der Straßen-, Flug- und Schienenverkehr nur langsam wieder in die Gänge.

Schneechaos in Deutschland: Polizisten betreuen auf der A20 in Mecklenburg-Vorpommern im Schnee festsitzende Autofahrer. Die heftigen Schneefälle haben zu erheblichen Verkehrsbehinderungengeführt.

Polizisten betreuen auf der A20 in Mecklenburg-Vorpommern im Schnee festsitzende Autofahrer. Die heftigen Schneefälle haben zu erheblichen Verkehrsbehinderungengeführt.

(Foto: Foto: ddp)

Einige Orte auf der Ostseeinsel Fehmarn sind nach wie vor von der Außenwelt abgeschlossen. Es handelt sich um drei oder vier Dörfer, zu denen bisher noch keine Zufahrtsstraße geräumt ist. Am frühen Nachmittag sollen 42 Ortschaften wieder erreichbar sein. Bis alle Straßen vollständig befahrbar sind, werde es aber noch mehrere Tage dauern, sagte ein Sprecher des zuständigen Bauhofs. 25 Räumfahrzeuge sind die Nacht hindurch auf der Insel im Einsatz gewesen. Schneeverwehungen behindern weiterhin auch den Verkehr in Vorpommern.

Aufgrund des Schneechaos fällt in ganz Mecklenburg-Vorpommern die Schule aus. Das Landesbildungsministerium gab allen Landkreisen und kreisfreien Städten schulfrei, nachdem in Ostvorpommern als erster Landkreis Katastrophenalarm ausgerufen werden musste, wie das Lagezentrum im Schweriner Innenministerium mitteilte.

Grund dafür seien die extreme Witterungssituation und die zunehmend chaotischen Verkehrsbedingungen, hieß es. Aus verschiedenen Landesteilen wurden im Laufe der Nacht zum Sonntag örtliche Stromausfälle gemeldet.

Über den genauen Umfang und konkret betroffene Orte konnte das Landeslagezentrum zunächst keine Angaben machen. Unter der Telefonnummer 03834-522619 wurde ein Bürgertelefon eingerichtet, bei dem sich die Menschen bei Problemen melden könnten.

Auto unbedingt stehen lassen

THW und Polizei mahnte die Bürger eindringlich, das Auto stehen zu lassen. Landstraßen seien stellenweise nicht befahrbar. Auch die Bahn mahnte, vor Reisenantritt sollten sich die Menschen unter der Nummer 08000-996633 informieren, welche Strecken frei und welche gesperrt sind.

Auf dem größten deutschen Flughafen in Frankfurt am Main wurden am Sonntagmorgen 66 Flüge gestrichen, wie ein Flughafensprecher sagte. Zudem mussten die Passagiere an Deutschlands größtem Flughafen auch weiterhin mit Verspätungen von rund einer Stunde rechnen.

Bereits am Samstag mussten durch die winterlichen Witterungsverhältnisse mit Schnee und Eis insgesamt 255 Flüge annulliert werden. "Ich bin seit 38 Jahren dabei, aber an eine solch hohe Zahl an witterungsbedingten Flugausfällen kann ich mich nicht erinnern", sagte der Flughafensprecher.

"Wir kommen mit dem Räumen nicht mehr nach"

In Mecklenburg-Vorpommern ist nach der Schneekatastrophe ein Krisenstab gebildet worden. Neben dem Chaos auf der Küstenautobahn 20, wo 167 eingeschneite Menschen erst nach Stunden aus ihren Fahrzeugen befreit werden konnten, war auch der Zugverkehr schwer beeinträchtigt. Dramatisch war die Situation auch in Schleswig-Holstein, wo wegen Schneeverwehungen mehrere Orte von der Außenwelt abgeschnitten wurden. Zudem trat die Ostsee über die Ufer. Bei Dahmeshöved drohte ein Deich zu brechen.

Sogar die Winter- und Notdienstfahrzeuge blieben bei ihren Einsätzen in meterhohen Schneewehen stecken. "Wir kommen mit dem Räumen nicht mehr nach", betonten landauf, landab die Vertreter des Straßenwinterdienstes.

Dörfer abgeschnitten

Wegen des anhaltenden Schneefalls gelang es den Einsatzkräften stundenlang nicht, die Eingeschneiten freizubekommen. Nach Angaben der Autobahnpolizei Altentreptow waren Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte zwischen 3.00 Uhr nachts und 7.30 Uhr morgens im Großeinsatz. Erst am Morgen hatten sie sich mit Hilfe von Fräsen zu den Eingeschlossenen vorgearbeitet.

Zwei Verkehrstote meldete die Polizeidirektion Stralsund. Trotz des extremen winterlichen Wetters und polizeilicher Empfehlungen die Autos stehen zu lassen, hatte sich am Samstagabend ein 29-Jähriger in Nordvorpommern auf den Weg gemacht und war aus Wendisch-Baggendorf kommend von der Straße abgekommen. Er prallte mit seinem Auto gegen einen Baum. Der Fahrer und ein 27-jähriger Mitinsasse starben noch am Unfallort.

Nach ihrer Befreiung wurden die Menschen den Angaben zufolge in Jarmen in aufgebauten Zelten betreut. Die ersten Notrufe hatte es demnach schon am Samstagabend um 20.00 Uhr gegeben. Das Technische Hilfswerk war noch am Sonntagvormittag mit dem Abschleppen der letzten Fahrzeuge beschäftigt.

Chaos auf den Inseln

Mehrere Ostsee-Inseln waren eingeschneit. Auf den Inseln Rügen und Usedom wie auch auf den Halbinseln Fischland, Darß, Zingst sowie dem küstennahen Festland brach den Angaben zufolge der Verkehr fast völlig zusammen. Schon am Samstagnachmittag hatte der Nahverkehr im Küstenbereich den Betrieb eingestellt. Bahnstrecken mussten gesperrt werden. Auch der Fährbetrieb innerhalb des Landes und die Auslandslinien von Scandlines stellten vorerst ihre Fahrten Richtung Skandinavien ein.

Überschwemmungen auch in Lübeck

Auch ein Schneesturm über Lübeck und Ostholstein beschäftigte zahlreiche Einsatzkräfte. Die Polizei bezeichnete die Situation am Sonntagmorgen als unverändert angespannt. In Ostholstein waren fast alle Kreis-, Gemeinde- und Nebenstraßen unpassierbar. Lediglich die Autobahnen und Bundesstraßen wurden in Minutenabständen geräumt. Trotzdem kam es auch dort zu Behinderungen durch plötzlich auftretende Schneewehen.

Auf der Insel Fehmarn ging fast nichts mehr, dort war nur die E 47 befahrbar, alle Ortschaften seien "mehr oder weniger sich selbst überlassen", erklärte die Polizei. Auch in Lübeck selbst kam es zu erheblichen Beeinträchtigungen. So stellte die Priwallfähre ihren Betrieb bis auf weiteres komplett ein, so dass der Stadtteil praktisch von der Außenwelt abgeschnitten war.

Auf dem Land- und Wasserwege nicht erreichbar

Kleine Ortschaften wie Blankensee, Vorrade oder Wulfsdorf und auch unzählige Dörfer in Ostholstein waren auf dem Land- und Wasserwege nicht erreichbar. Der Pegelstand der Trave stieg in der Lübecker Altstadt auf 6,50 Meter, das Wasser trat über die Ufer. Auch in Travemünde sei die Situation äußerst angespannt.

"Die Wellen der Ostsee peitschen gegen die steinerne Strandpromenade, reißen mit ungeheurer Wucht Ziegelsteine aus der Mauer, die dann unkontrolliert herumfliegen", teilte die Polizei mit. Allein in Ostholstein gingen in der Nacht 253 Notrufe bei der Polizei ein. Ständig drohten Baugerüste umzuwehen oder Bäume abzuknicken. Viele Menschen steckten mit ihren Fahrzeugen in meterhohen Schneewehen fest.

Deutsche Bahn entschuldigt sich

Die Deutsche Bahn entschuldigte sich bei ihren Kunden für die Verspätungen und die chaotischen Zustände. Ulrich Homburg, Vorstand Personenverkehr bei der Deutschen Bahn, der Bild am Sonntag: "Der Unmut vieler Fahrgäste lässt uns keineswegs kalt. Sie erwarten pünktliche Züge und guten Service - und das völlig zu Recht! Das ist auch der Anspruch, an dem wir uns messen. Deswegen möchte ich mich bei allen entschuldigen, die in den letzten Wochen aufgrund von Störungen und Verspätungen Beeinträchtigungen ihrer Reise hatten."

Mehr als hundert Züge sind in den letzten Wochen wegen Schnee und Kälte ausgefallen oder mussten umgeleitet werden. Gründe waren unter anderen vereiste Oberleitungen, eingefrorene Weichen, Störungen durch Schnee in ICE-Zügen.

In der Politik sorgen die winterlichen Technik-Probleme der Bahn für Kritik. Patrick Döring, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion sagte der Zeitung: "In Zukunft wäre es gut, wenn die Bahn bei ihren Anschaffungen weniger auf äußere Raffinesse und mehr auf die Praktikabilität und Zuverlässigkeit Wert legen würde."

Weltweites Winterchaos

Weltweit herrschte am Wochenende wegen des Winterwetters vielerorts Ausnahmezustand. Im südfranzösischen Lyon saßen am Samstagabend etwa 1000 Passagiere auf dem Flughafen fest. Gemeinsam mit der Feuerwehr würden nun vor Ort Betten für die Betroffenen aufgestellt, teilte der Flughafenbetreiber mit. Außerdem werde nach Unterbringungsmöglichkeiten in umliegenden Hotels gesucht.

Schnee in Florida

In den USA sorgte die Kältewelle für eine Seltenheit gesorgt: Schnee in Florida. In dem Bundesstaat, der sonst in den Wintermonaten wegen seines Badewetters beliebt bei Urlaubern und vor allem älteren Menschen ist, fielen am Samstag dicke Flocken. "Das ist äußerst ungewöhnlich", sagte ein Sprecher des Nationalen Wetterdienstes über den Schnee nördlich von Tampa am Golf von Mexiko. Dort lagen die Temperaturen um den Nullpunkt.

Die kältesten Werte wurden am Mittag (Ortszeit) in Bismarck im Bundesstaat North Dakota gemessen: Dort war es bei minus 30 Grad Celsius schneidend kalt. Das frostige Wetter mit Schnee und eisigen Windböen hält in vielen Landesteilen bereits seit Tagen an und hat zu mehreren Toten geführt. Einige Menschen erfroren, wie etwa im Bundesstaat Tennessee, in ihren ungeheizten vier Wänden. Selbst in Südstaaten wie Alabama sind Obdachlosenheime nach Angaben von Behördensprechern "zum Bersten voll".

Hunderte Obdachlose in China

Im Nordwesten Chinas sind hunderte Menschen durch die Schneestürme der vergangenen Tage obdachlos geworden. Wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, zerstörten die seit Freitag wütenden Schneestürme in der Provinz Xinjiang fast 800 Häuser. Knapp 5000 weitere wurden beschädigt. Dem Bericht zufolge kam ein Mensch ums Leben. Rund 5500 weitere mussten in Sicherheit gebracht werden.

Die Volksrepublik leidet derzeit unter einem ungewöhnlich frühen und kalten Winter. Seit dem Jahreswechsel hat der Schnee das Land im Griff. Aus Sorge vor Stromknappheit wegen der anhaltenden Kältewelle haben die Behörden in einigen Provinzen den Strom rationiert. Vielerorts kam es zu Verkehrschaos.

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