Schneechaos:Alarmstufe Weiß

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  • In den Nordalpen ist am Wochenende so viel Schnee gefallen, dass nicht mehr von Wintervergnügen, sondern von "Schneehölle" die Rede ist.
  • Wegen hoher Lawinengefahr sind einige Orte in Österreich von der Außenwelt abgeschnitten.
  • In den Nordalpen gilt fast flächendeckend Lawinenwarnstufe vier, die zweithöchste Stufe auf der Gefahrenskala. Obwohl die Schneefälle am Montag nachgelassen haben, könnte sich die Situation nach Meinung von Experten noch verschärfen.

Von Titus Arnu

Autos auf dem Hof eines Autohauses in Schongau, Bayern, sind mit Schnee bedeckt. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Das kleine Skigebiet Tauplitzalm in der Steiermark ist für schneearme Winter gut gerüstet. Falls am Hausberg, dem Lawinenstein, nicht genug Naturschnee liegen sollte, "haben wir mit starker Pumpleistung für die moderne Schneeanlage vorgesorgt", verspricht der Bergbahnbetreiber. Derzeit wird die Anlage nicht gebraucht, denn der Lawinenstein macht seinem Namen alle Ehre: Die Schneehöhe beträgt 3,50 Meter. Das ist durchaus ausreichend, vielleicht schon fast zu viel.

In den Nordalpen ist am Wochenende so viel Schnee gefallen, dass nicht mehr von Wintervergnügen, sondern von "Schneehölle" die Rede ist. Innerhalb von zwei Tagen kamen an manchen Orten bis zu zwei Meter Neuschnee zusammen. Im Skigebiet Sölden liegen bis zu vier Meter Schnee, auf dem Loser bei Altaussee wurden 3,90 Meter gemessen, auf dem Dachsteinplateau 3,50 Meter. Wegen hoher Lawinengefahr sind einige Orte in Österreich von der Außenwelt abgeschnitten, Straßen und Zugstrecken mussten aus Sicherheitsgründen gesperrt werden. Mehrere Wintersportler kamen in Tirol, Vorarlberg und Bayern bei Lawinenunglücken ums Leben.

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Bis Ende der Woche bleiben die Schulen geschlossen, viele Straßen sind gesperrt. Auch im übrigen Bayern sorgt der Schnee für Chaos. Mehrere Menschen sind am Wochenende ums Leben gekommen.

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"Es kann durchaus dramatisch werden"

In den Nordalpen gilt fast flächendeckend Lawinenwarnstufe vier, die zweithöchste Stufe auf der Gefahrenskala. Obwohl die Schneefälle am Montag nachgelassen haben, könnte sich die Situation nach Meinung von Experten noch verschärfen.

"Das ist nur eine kurze Atempause," sagt Rudi Mair, Leiter des Lawinenwarndiensts Tirol. "Wir rechnen mit einem halben bis einem Meter Neuschnee zusätzlich bis Mittwochabend", sagt der Experte. "Wenn sich die Wettermodelle bestätigen, heißt das wahrscheinlich: Lawinenwarnstufe 5. Das wäre dann eine Katastrophenlage."

Seit 1993 existiert eine gemeinsame europäische Gefahrenskala für Lawinen, und in 25 Jahren wurde nur zweimal die Warnstufe 5 ausgerufen. Zum ersten Mal 1999, als es in Galtür (Tirol) zu einem verheerenden Lawinenunglück mit 31 Toten kam, und zum zweiten Mal im Winter 2017/18, als in Zermatt und anderen Wintersportorten mehr als zwei Meter Schnee in 24 Stunden fielen.

Falls es diese Woche weiter schneit, rechnet Rudi Mair mit ähnlichen Verhältnissen: "Es kann durchaus dramatisch werden, Straßen und Orte sind dann bedroht, Häuser müssen evakuiert werden." Die Prognose der Meteorologen klingt nicht gut: Von Mittwoch an kommt es erneut zu größeren Mengen Neuschnee, zudem ist teils stürmischer Wind angekündigt.

Allein von Mittwoch auf Donnerstag werden 50 bis 120 Zentimeter Neuschnee vor allem in den Kitzbüheler Alpen, dem Karwendel, den Lechtaler Alpen und am Arlberg erwartet. Für das kommende Wochenende rechnen Experten mit noch mehr Schnee. In Tirol bereitet man sich auf den Katastrophenfall vor. Hubschrauber des Bundesheeres und Hilfskräfte wurden in Bereitschaft gesetzt.

Lawinenexperte Mair warnt Wintersportler angesichts der kritischen Situation eindringlich davor, sich abseits gesicherter Pisten aufzuhalten. In Tirol wird selbst von Spaziergängen im Wald abgeraten, da immer wieder Bäume durch die Schneelast umstürzen. Doch anscheinend ist der frische Tiefschnee für manche Skifahrer und Schneeschuhgeher so verlockend, dass sie die Gefahren außer Acht lassen und sich trotz Warnstufe 4 ins Gelände wagen. Das kann dramatische Folgen haben.

Dann löste sich die Lawine

Mehrere Wintersportler gerieten am Wochenende in Not, mindestens sechs kamen ums Leben. Im Berchtesgadener Land starb nach einem Lawinenabgang am Teisenberg eine junge Frau in den Schneemassen. Nach Angaben der Polizei war die 20-Jährige am Samstag in einer Gruppe von sechs Tourenskifahrern unterwegs, als sich bei der Abfahrt ins Tal eine Lawine löste.

Sie wurde verschüttet, ihre Begleiter wurden von dem Schneebrett nicht erfasst. Ein Lawinenhund der Bergwacht konnte die Frau zwar rasch aufspüren, sie starb aber noch am Unfallort.

In Schoppernau (Vorarlberg) kam am Sonntag ein 26-jähriger Skifahrer aus Bayern bei einem Lawinenabgang ums Leben. Er starb, obwohl er mit einem Lawinen-Airbag ausgestattet war. Bei einem Lawinenunglück in Damüls wurde ein 32-Jähriger aus der Nähe von Heilbronn getötet. Er hatte ebenfalls eine Lawinen-Notfallausrüstung dabei. Bei einem Unfall in Vorarlberg kam eine Schweizer Snowboarderin am Sonntag von der Piste ab und stürzte 20 Meter tief in einen Steilhang. Dabei blieb die 24-Jährige mit Kopf und Oberkörper im Tiefschnee stecken und starb.

Die Zahl der Opfer wird vermutlich noch steigen

Ein 35-jähriger Slowene starb im Skigebiet Zauchensee, als er abseits der Skipiste in einen Meter tiefen Schnee stürzte. Am Blomberg bei Bad Tölz wurde ein 45-jähriger Skiwanderer von einem herabfallenden Ast erschlagen.

Die Zahl der Opfer wird vermutlich noch steigen, denn mehrere Wintersportler werden vermisst. In Hohenberg (Niederösterreich) suchten Alpinpolizei und 40 Bergretter am Montag nach zwei Tourengehern. Die Männer waren am Samstag trotz Schneesturms zu einer Tour aufgebrochen, seitdem fehlt von ihnen jegliches Lebenszeichen.

Im Tennengebirge (Salzburg) werden seit Samstag zwei Schneeschuhgeher vermisst. In Zell am See wurde ein 23 Jahre alter Snowboarder aus Würzburg nach einer Nacht im Freien am Sonntag unverletzt gerettet. Er übernachtete in einer selbstgebauten Schneehöhle.

Après-Ski-Giganten festgeeist

Die Schneemassen haben auch Probleme im Verkehr verursacht. Mehrere Straßen in Österreich und Bayern mussten gesperrt werden, unter anderem der Arlbergpass und Zufahrten zu Wintersportorten in den Hohen Tauern. In Niederösterreich und Oberösterreich waren zwischenzeitlich 14 000 Haushalte ohne Strom, weil Bäume und Äste Leitungen beschädigten.

Die hohe Lawinenwarnstufe hat sogar einen Après-Ski-Giganten festgeeist. Sänger DJ Ötzi muss seinen Tourstart verschieben. Das für diesen Dienstag geplante Auftaktkonzert seiner "Gipfeltour" auf einer Skihütte in Saalbach-Hinterglemm kann wegen der Lawinengefahr und gesperrter Zufahrtsstraßen nicht stattfinden.

"Ich bin natürlich sehr traurig, dass ich meine Fans enttäuschen muss, aber es wäre unverantwortlich, unter diesen Umständen die Show zu machen", teilt DJ Ötzi mit. Die Schneehölle führt also auch zu Ruhe und Frieden.

© SZ vom 08.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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