Schmerzensgeld:Was ein Mensch wert ist

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Dieter Althaus muss 5000 Euro an den Witwer von Beata C. zahlen. In Deutschland erhalten Angehörige meist kein Schmerzensgeld. Wie viel die Opfer bekommen, muss in jeder Verhandlung neu geklärt werden.

Marco Völklein

5000 Euro Schmerzensgeld für den Hinterbliebenen eines tödlich verunglückten Unfallopfers - wie im Fall Dieter Althaus? "In Deutschland gibt es so etwas in der Regel nicht", sagt der Münchner Verkehrsrechtsanwalt Oskar Riedmeyer. "Hier wird der Schaden an einem Porsche nach kurzer Zeit bezahlt, Angehörige erhalten aber meist kein Schmerzensgeld." Deutschland ist damit eine Ausnahme in Europa. In Spanien und Italien erhalten die Angehörigen verstorbener Unfallopfer bis zu fünf- oder gar sechsstellige Summen; auch Österreich hat sein Schadenersatzrecht vor einiger Zeit geändert. Nun erhalten auch Hinterbliebene Schmerzensgeld.

Die Höhe des Schmerzensgeldes in von Fall zu Fall unterschiedlich und muss in jeder Verhandlung neu geklärt werden. (Foto: Grafik: SZ, Daniel Braun)

In Deutschland gibt es Schmerzensgeld grundsätzlich nur dann, wenn einem Geschädigten Leid widerfahren ist, erläutert Andreas Slizyk, auf Schadenersatzrecht spezialisierter Anwalt und Fachbuchautor. Wer sich den Oberarm gebrochen hat, erhielt von Gerichten in der Vergangenheit schon mal 6000 Euro zugesprochen; ein schweres Schädelhirntrauma mit dauerhaften Folgen stuften Richter mit 70.000 Euro ein (siehe Grafik).

Grundsätzlich wird nach deutschem Recht dieses Schmerzensgeld aber nur für "unmittelbare Verletzungen" gezahlt. Hinterbliebene allerdings erleiden, wenn überhaupt, eine "mittelbare Verletzung" - zum Beispiel eine schwerwiegende psychische Erkrankung als Folge der Todesnachricht. Laut Anwalt Andreas Slizyk sind diese Fälle jedoch sehr selten.

So hatten etwa im Jahr 1995 Verkehrsrowdys das Auto von vier Jugendlichen gerammt, darunter drei Geschwister. Alle Insassen des gerammten Fahrzeugs starben. Den Vater und die Mutter der drei Geschwister nahm das Unglück so sehr mit, dass sie ihren Alltag nicht mehr bewältigen konnten; der Vater wurde gar berufsunfähig. Das Oberlandesgericht Nürnberg sprach ihnen ein Schmerzensgeld von 90.000 Mark, etwa 46.000 Euro, zu (Az.: 3 U 468/95).

Auch wenn Hinterbliebene den Tod von nahen Verwandten unmittelbar miterleben, muss zuweilen Schmerzensgeld bezahlt werden. Im Jahr 2004 wurde ein 15-Jähriger in einem Hotelpool unter Wasser von einer Absaugpumpe angesaugt. Den Eltern des Jungen gelang es nicht, ihn von der Pumpe wegzuziehen - der Sohn ertrank vor ihren Augen. Das Landgericht Düsseldorf sprach den Eltern 20.000 Euro Schmerzensgeld zu (Az.: 3 O 170/04).

Auch wenn ein Unfallopfer etwa nach einem längeren Aufenthalt auf der Intensivstation stirbt, kann sein Anspruch auf Schmerzensgeld auf seine Erben übergehen. Allerdings hängt auch dies entscheidend vom jeweiligen Gericht ab.

Unabhängig von der Frage eines "immateriellen Schadens", für den Schmerzensgeld gezahlt wird, stellt sich stets die Frage nach einem materiellen Schadenersatz. Ein solcher Schaden kann auch Hinterbliebenen entstehen - etwa dann, wenn die Mutter einer mehrköpfigen Familie stirbt und die Kinder weiterversorgt werden müssen.

Der Schadenersatz bemisst sich in diesem Fall am konkreten Aufwand, erklärt Jutta Weber vom Internetportal Rechtstipps.de. So setzte das Landgericht Celle für eine Haushaltshilfe einen Betrag von acht Euro je Stunde an (Az.: 14 U 32/04). Hat die Mutter also die Kinder fünf Stunden am Tag versorgt, stehen dem Witwer täglich 40 Euro Schadenersatz zu. "Mit der Zeit wird dieser Anspruch geringer, weil man davon ausgeht, dass die Kinder älter werden und weniger umfangreich betreut werden müssen", ergänzt Riedmeyer.

Hatte die Familie allerdings schon zuvor ein Kindermädchen im Haushalt beschäftigt, verändert sich durch den Tod der Mutter bei der Kinderbetreuung gar nichts - der Witwer hat dann auch keinen Schadenersatzanspruch. War die Mutter der Familie jedoch berufstätig, muss wiederum der Verdienstausfall ersetzt werden.

Ausgehandelt werden die Zahlungen in der Regel zwischen dem Anwalt der Geschädigten und der Haftpflichtversicherung des Schädigers. Hat der Schädiger keine Haftpflichtversicherung abgeschlossen, kann es schwierig werden, an Geld zu kommen. "Daher sollte man sich in solchen Fällen auch immer anwaltlich beraten lassen", findet Slizyk.

Mit dem Anwalt lässt sich auch besprechen, ob man eine regelmäßige Zahlung vereinbart, oder aber eine einmalige Summe akzeptiert, mit der sämtliche Ansprüche abgegolten sind. "Wenn sich auch der zukünftige Schaden kalkulatorisch fassen lässt, rate ich stets zur Annahme einer festen Abfindung", sagt Slizyk: "Was ich hab', das hab' ich."

Bei einer regelmäßigen Zahlung könne es zum Beispiel sein, dass der Witwer nach ein paar Jahren erneut heiratet und die Frau sich um die Kinder kümmert. "Kriegt das die Versicherung raus, könnte sie versucht sein, die Zahlungen zu streichen."

© SZ vom 5.3.2009/bosw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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