Süddeutsche Zeitung

Schiffsunglück vor Südkorea:Fähre "Sewol" soll extrem überladen gewesen sein

Ein Taucher ist bei den Bergungsarbeiten an der havarierten "Sewol" ums Leben gekommen. Ermittlern zufolge war die Fähre auf ihrer Unglücksfahrt deutlich überladen. Schon früher soll sie immer wieder mit zu viel Fracht unterwegs gewesen sein. Mehrere Kabinen wurden illegal auf das Schiff gebaut.

Es wird immer deutlicher, dass die am 16. April vor Südkorea gesunkene Fähre Sewol offenbar dramatisch überladen war. Die Nachrichtenagentur Yonhap zitiert Ermittler, denen zufolge das Schiff auf seiner Unglücksfahrt statt der zulässigen 987 Tonnen Fracht 3608 Tonnen geladen hatte. Die Sewol habe dabei nur 580 Tonnen sogenanntes Ballastwasser geführt um das Schiff zu stabilisieren - und damit nur 37 Prozent der erforderlichen Menge. Das Ballastwasser sei zugunsten der zusätzlichen Ladung reduziert worden. Nach Angaben der Ermittler war dies eine gängige Praxis: Bei 139 ihrer 241 Fahrten seit März vergangenen Jahres zwischen dem Hafen von Incheon und der Insel Jeju sei die Sewol bewusst überladen gewesen. Im Jahr 2012 seien zudem auf mehreren Decks illegal zusätzliche Kabinen eingebaut worden. Auch die Vorwürfe gegen die Besatzung erneuerten die Ermittler: So habe die Crew 40 Minuten nach dem ersten Notruf verstreichen lassen, bevor sie die Passagiere gewarnt habe. Präsidentin Park Geun Hye bat die Angehörigen der Opfer am Dienstag erneut um Verzeihung. "Gier nach materiellem Gewinn hat über die Sicherheitsnormen gesiegt, und solch unverantwortliches Handeln hat zum Verlust kostbarer Leben geführt", sagte Park. Die Staatschefin kündigte an, hart gegen "Korruption und Fehlverhalten" vorzugehen. Laut einem Bericht der Zeitung Hankyoreh Shinmun wurde die Einhaltung der Sicherheitsnormen auch nach einem schweren Unglück im Jahr 1993 kaum überprüft. Damals war eine überladene Fähre vor der Westküste Südkoreas gesunken, 292 Menschen kamen ums Leben.

Taucher bei Bergungsarbeiten ums Leben gekommen

Am Dienstag ist bei den Bergungsarbeiten am Wrack der gesunkenen Fähre ein Rettungstaucher gestorben. Der 53-Jährige sei zum ersten Mal an der Unglücksstelle im Einsatz gewesen und habe in 25 Metern Tiefe plötzlich Atemprobleme bekommen, sagte ein Sprecher der Küstenwache. Dann habe er das Bewusstsein verloren. In einem Krankenhaus in Mokpo sei sein Tod festgestellt worden.

Nach dem Schiffsunglück vor drei Wochen werden noch immer 39 Menschen vermisst. Behördenangaben zufolge konnten am Montag zwölf Leichen aus dem Wrack vor der Südwestküste des Landes geborgen werden. Die Zahl der geborgenen Toten stieg damit auf 263.

Besatzung weiter in U-Haft

Mehr als hundert Taucher beteiligen sich zurzeit an den Bergungsarbeiten und suchen das Schiffswrack nach vermissten Personen ab. Einem Bericht des US-Nachrichtensenders CNN zufolge wird die Suche immer schwieriger, weil viele der Kabinentüren von Trümmern versperrt werden. Als die Fähre am 16. April kenterte und binnen weniger Stunden fast komplett sank, befand sich der Großteil der Passagiere im Bauch des Schiffes. Keiner von ihnen konnte gerettet werden. Lediglich die 174 Menschen, die sich an Deck aufhielten und ins Wasser sprangen, überlebten.

Der Kapitän und 14 weitere leitende Besatzungsmitglieder sitzen in Untersuchungshaft. Sie werden beschuldigt, die Passagiere angewiesen zu haben, in den Kabinen unter Deck auszuharren - was diesen letztendlich zum Verhängnis wurde. Die Besatzung habe die Menschen an Bord, darunter hunderte Schüler, im Stich gelassen.

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