Nach dem Untergang der Superyacht Bayesian vor Sizilien ist am Donnerstagmorgen eine fünfte Leiche aus dem Inneren des Segelboots geborgen worden. Spezialtaucher brachten den Körper aus der britischen Yacht, die in 50 Metern Tiefe auf Grund liegt, an die Oberfläche. Auch der britische Tech-Milliardär Mike Lynch, 59, ist unter den Toten, die mittlerweile identifiziert sind. Gesucht wird nach Angaben der Rettungskräfte jetzt nur noch nach seiner 18 Jahre alten Tochter.
Bei dem Unglück am Montagabend kamen offenbar sieben Menschen ums Leben. Bereits nach kurzer Zeit war die Leiche des Schiffskochs im Wasser entdeckt worden; am Mittwoch wurden zwei tote Ehepaare aus dem Wrack geborgen. Auf Höhlen spezialisierte Taucher der Feuerwehr konnten in das in 49 Metern Tiefe liegende Schiff eindringen und sich langsam zu den Kabinen vorarbeiten. 15 Menschen haben den Untergang überlebt, darunter Lynchs Ehefrau.
Die von britischen Medienberichten genährte Hoffnung von Angehörigen, dass sich jemand in einer Luftblase gerettet haben könnte, gilt als extrem unwahrscheinlich. Unter den Opfern ist auch der Spitzenbanker Jonathan Bloomer, 70, Vorstandsvorsitzender der Investmentbank Morgan Stanley, sowie ein internationaler Top-Anwalt. Die Kabinen befinden sich auf dem Unterdeck, sechs an der Zahl plus die Eignersuite, die im Heck gelegen ist.
Die Taucher sind nach Medienberichten über ein kleines Fenster in das Schiff eingedrungen, das nach Angaben der Behörden auf der Seite liegt, was die Arbeiten unter Wasser erschwert. „Es ist eine Concordia im Kleinformat“, sagte ein Feuerwehrsprecher mit Hinweis auf das 2012 vor der Insel Giglio spektakulär auf einen Felsen aufgelaufene Kreuzfahrtschiff. Die Costa Concordia geriet teilweise unter Wasser, 32 Menschen starben. „Im Inneren des Schiffes sind die Räume sehr klein, und wenn man auf ein Hindernis stößt, ist es sehr kompliziert vorwärtszukommen, ebenso wie es sehr schwierig ist, alternative Routen zu finden.“ Die Taucher können nur wenige Minuten unter Wasser bleiben, und verlieren davon Zeit für den Ab- und Aufstieg. Mittlerweile sind auch Spezialisten aus Genua am Wrack, die länger unter Wasser sein können; das Team war 2012 bei der Costa Concordia dabei. Auch ein Tauchroboter ist im Einsatz.
Machte die Besatzung Fehler?
Der Luxussegler ist im Eigentum einer Firma, die Lynchs geretteter Ehefrau gehört. Mit dem Mittelmeertrip wollte Lynch den für ihn glücklichen Ausgang eines Prozesses feiern, bei dem es um den umstrittenen Verkauf seiner Software-Firma Autonomy an den IT-Giganten Hewlett-Packard ging; Lynch hatte dabei elf Milliarden Dollar erlöst. Die Segelyacht, die zu den weltweit größten ihrer Gattung gehört, ausgestattet mit nur einem, aber extrem langen Mast von 75 Metern, hatte in der Nacht zum Montag vor dem Hafen von Porticello unweit von Palermo geankert und war am frühen Morgen bei einem schweren Unwetter mit starken Winden untergegangen. An Bord waren insgesamt 22 Menschen. 15 von ihnen konnten in der Dunkelheit gerettet und an Land gebracht werden – fast die gesamte Besatzung, aber nur wenige Passagiere.
Gleichzeitig versuchen Experten und Ermittler zu verstehen, wie das Hochseesegelschiff so unglaublich schnell sinken konnte, während hundert Meter entfernt ein kleineres Boot unversehrt blieb. Der Untergang einer derart großen Yacht gilt als höchst unwahrscheinlich. Der Kapitän eines in der Nähe liegenden Bootes berichtete, dass er selbst damit beschäftigt war, sein Schiff zu stabilisieren. Als er sich wieder umgeschaut habe, war die Bayesian bereits verschwunden. Überlebende hatten davon gesprochen, dass die Katastrophe gerade mal fünf Minuten gedauert habe. Auf den Aufnahmen der Überwachungskamera einer Villa an Land ist zu sehen, wie das Segelschiff in sogar nur 60 Sekunden verschwindet.
Die derzeit glaubwürdigste Hypothese ist, dass während des Sturms durch eine Flutwelle in kürzester Zeit eine große Menge Wasser vom Heck her eindrang, möglicherweise durch eine offen gelassene Tür. Nach Medienberichten haben die Taucher ferner angegeben, dass sie das Schwert des Segelschiffs in angehobener Position gesehen haben. Das wäre die für das Einlaufen in Häfen richtige Position, aber ein ausgefahrenes Schwert hätte das Boot bei starkem Wind stabilisiert. Wenn diese Informationen stimmen, hätte die Besatzung womöglich gravierende Fehler begangen. Noch allerdings stehen die Ermittlungen ganz am Anfang.